Neue Vocalsolisten Stuttgart mit Fedele und Sciarrino in Hellerau
Aus der zeitgenössischen Musik dieses Landes sind sie kaum wegzudenken, denn überall, wo neue Vokalmusik geschrieben und aufgeführt wird, sind sie zugegen, und die Liste der uraufgeführten Werke ist lang: die „Neuen Vocalsolisten Stuttgart“ sorgen für eine stetige Belebung des Genres, gleich ob in theatralischer Einbindung, mit Elektronik oder Verstärkung durch Instrumentalensembles. Beim Tonlagen-Festival in Hellerau waren sie a cappella zu hören, und die räumliche Konzentration auf einen Teilbereich des Saales im Festspielhaus sorgte für eine intime Atmosphäre.
„Madrigale“ war dieses Konzert überschrieben und nahm damit begrifflich Bezug auf die Tradition des mehrstimmigen weltlichen Gesanges. Doch die direkte Gegenüberstellung wurde vermieden, vielmehr sorgten die zwei umfangreichen Stücke des Abends für eine sehr spezielle, zeitgenössische Deutung des Genres – wer wollte, konnte in vielen Details jedoch auch die Rückblicke der Komponisten auf die Vokalpolyphonie der Renaissance bemerken. Die Entscheidung für Werke der italienischen Komponisten Ivan Fedele und Salvatore Sciarrino hatte allerdings auch zur Folge, dass hier die Vielfalt etwa im Vergleich mehrerer Komponistenhandschriften, Stile und Herangehensweisen an das Vokale unterblieb.
Fedele und Sciarrino sind obendrein ästhetische Nachbarn: „Animus Anima“ von Fedele gibt sich reichlich virtuos, und auch im Nachklang bleibt das Ornament im Vordergrund, eine griffige Tonsprache stellt sich nicht ein. Die Frage nach dem – verschwenderischen – Umgang mit dem Material stellt sich auch bei Sciarrionos „12 Madrigali“, bei denen ein naturalistischer Eindruck beabsichtigt ist und sich auch prompt einstellt: Zikaden zirpen und werden staccato dargestellt, der Wind weht durch die Vokale und die hohe Sonne erhält einen markant stechenden Rhythmus. Die verdoppelte Vertonung der sechs Gedichte ist eine interessanter Kniff, allerdings wird die ohnehin vage Aussage dadurch nur noch verstärkt: es könnte so sein, aber auch anders. Die Aussage wird verlängert, aber vertieft wird sie kaum, denn wenig Neues kommt hinzu.
Auch bei Sciarrino bleibt also nur die Hingabe an die Sinnlichkeit der Ereignisse, und im Momenthaften, Augenblicklichen liegt dann auch die Stärke dieser Stücke. Was die Vocalsolisten hier an Facetten hervorzaubern, immer im gegenseitigen Einklang und in höchster Konzentration auf Stimmverschmelzung und Homogenität bedacht, das ist schlicht fabelhaft. Wenig verlangt waren Akzente und forte-Passagen, diese hätten noch präsenter geformt werden können. Beide Partituren quillen indes über vor Verzierungen, Schwelltönen und illustren Farbspektren, denen sich die Vocalsolisten mit Genuss widmen. Am Ende verbleibt ein poetischer Eindruck: den Texten und Kompositionsabsichten nähern sich die sieben Sänger mit Sorgfalt und betten diese stilsicher auf ihr Können. Zu Recht hat auch die CD-Einspielung der Sciarrino-Madrigale jüngst durch die Bestenliste des Preises der Deutschen Schallplattenkritik eine Auszeichnung erfahren.
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