Wagner, Gubaidulina und Schönberg im 7. Philharmonischen Konzert
Mit einem spätromantisch-modernen Programm waren im 7. Philharmonischen Konzert alle musikalischen Kräfte und Fähigkeiten gefordert. Der Bogen von Wagner über Gubaidulina zu Schönberg wurde mit viel Leidenschaft gezogen; eine inhaltliche Klammer lag vor allem in der Liebestod-Thematik zwischen „Tristan und Isolde“ und Maeterlincks Drama „Pelles und Melisande“. Dazwischen erklang mit Sofia Gubadulinas Bratschendoppelkonzert (1998) eine außergewöhnliche Konzertmusik, die sich mit göttlicher Liebe und Hingabe beschäftigt.
Der Spanier Josep Pons leitete das Konzert mit guter Übersicht und reichhaltiger Detailausarbeitung. Obwohl „Vorspiel und Liebestod“ aus Wagners Oper gerne im Konzert kombiniert werden, wird man selten das Gefühl los, man würde aus dem Anfang eines Films gleich zum Finale zappen. Pons setzte die Partitur vor allem dynamisch sehr gut um und wählte ruhige, doch nicht schleppende Tempi. Nicht in allen Teilen gelang ihm mit dem Orchester die nötige Linienspannung; offenbar war eine leichte Rücknahme des Orchesters und damit die Vermeidung der Grenzüberschreitung absichtsvoll – auch in den Höhepunkten der beiden Stücke setzte Pons auf einen relativ samtigen Gesamtklang. Das mag im Konzert angehen, doch das „Ertrinken, Versinken“ im Liebestod erfordert vor allem eine emotionale Auslotung, die mir hier fehlte.
Mit dieser Einleitung war aber ein guter Boden geschaffen für die Interpretation von Sofia Gubaidulinas Konzert „Zwei Wege“. Das 1999 entstandene Doppelkonzert für zwei Bratschen und Orchester thematisiert das biblische Schwesternpaar Maria und Martha, deren Hingabe zu Jesus für die Komponistin Ausgangspunkt für eine höchst plastische, fast „sprechende“ Konzertmusik war. Dass diese Transparenz nahtlos zu den Zuhörern drang, ist das Verdienst der ebenfalls hingebungsvoll die Partitur interpretierenden Solisten Christina Biwank und Nils Mönkemeyer – repräsentieren diese beiden doch schon durch ihren eigene Biografie „zwei Wege“: Biwank als Solobratscherin der Philharmonie und sehr aktiver Kammermusikerin, und Mönkemeyer, der früh die Solistenlaufbahn einschlug und heute mit anspruchsvollem Repertoire Begeisterung für das Instrument entfacht. Gubaidulinas Komposition entfaltet sich dialogisierend mit klarer Themengebung und Struktur; gerade die Arbeit am spezifischen Charakter der Stimmen der beiden Solisten war faszinierend zu erleben. Absolut eindringlich changiert die Musik im letzten Drittel nach einem Höhepunkt, der fast in Hitchcock-Manier mit Celesta und Schlagwerk erreicht wird: die allmähliche Verinnerlichung der Gedanken wurde solistisch wie im begleitenden Orchester toll umgesetzt – die Komponistin wäre von dieser Aufführung sehr bewegt gewesen, das Kulturpalastpublikum applaudierte stark. Kammermusik von Mendelssohn Bartholdy gab es als frische Zugabe, in welcher Biwank und Mönkemeyer agogisch zu hervorragender Gemeinsamkeit fanden.
Anschließend füllte sich die Bühne: Arnold Schönbergs sinfonische Dichtung „Pelleas und Melisande“ erfordert nicht nur ein großes Orchester, sondern auch rhythmische und klangliche Brillanz. Vieles war gut ausmusiziert, doch Pons hätte sowohl klarere Impulse als auch flexibleres Dirigat zeigen müssen, um manche Mißverständnisse zu vermeiden. Insgesamt erreichte das Stück jedoch ein gutes Aufführungsniveau – vermutlich benötigt eine solch dichte, kontrapunktisch extrem anspruchsvolle Partitur ohnehin mehr Proben, als es der rasante Konzertbetrieb heute zu leisten vermag.
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