Dame Felicity Lott und Sir Neville Marriner gastieren mit der Philharmonie in der Frauenkirche
Von Zeit zu Zeit verlassen die Dresdner Philharmoniker ihre angestammte Konzertstätte im Kulturpalast, um ein paar Meter weiter den Raum der Frauenkirche mit Musik zu erfüllen. Diesmal gaben sich hoch geadelte englische Gäste die Ehre. Am Pult stand kein geringerer als Sir Neville Marriner, unzähligen Musikfreunden bekannt durch sein Wirken über Jahrzehnte beim Orchester „Academy of St. Martin in the Fields“. Mittlerweile hat er diese Chefposition aufgegeben, doch ganz von der Musik lassen geht nun einmal nicht, und so dürfen sich die Dresdner glücklich schätzen, den Maestro kurz vor seinem 87. Geburtstag einmal im Konzert erlebt zu haben. Dass er dabei Werke von Ralph Vaughan Williams und Benjamin Britten mitbrachte, war ebenso ein Glücksfall. Vaughan Williams, dessen sinfonisches Werk in deutschen Konzertsälen leider immer noch unterbelichtet ist, schrieb die „Tallis-Fantasie“ für doppeltes Streichorchester 1910. Das polyphon verschränkte Stück, das auch damals in einer Kathedrale uraufgeführt wurde, fügte sich ideal in den Kuppelraum der Frauenkirche. Wo es nötig war, gaben die Philharmoniker deutliche Konturierung hinzu und verlegten sich ansonsten auf ein homogenes Legato-Spiel, das sowohl im solistischen Streichquartett als auch für den satten Gesamtklang passte. Marriner unterstützte mit fließenden Tempi und bot statt eines „Starters“ im Programm tiefgehenden Genuss.
Dieser wurde anschließend noch deutlich verstärkt: Dame Felicity Lott ist eine der großen Sopranistinnen unserer Zeit; neben ihrer Leidenschaft für Richard Strauss ist es vor allem der Liedgesang, bei der sie die Vielseitigkeit ihrer Stimme einsetzt und zudem manche Perlen der Literatur wiederentdeckt und mit Leben erfüllt. Sie interpretierte den Zyklus „Les Illuminations“ von Benjamin Britten auf Texte von Arthur Rimbaud, der trotz wilder Worte und phantasievoller Komposition stark im Ohr bleibt – dafür sorgen griffige Rhythmen und Brittens ausgefeilte Stimmbehandlung, die Lott selbstbewusst und mit feiner Ausgestaltung anging. Deklamierend, im großen Bogen schmelzend oder bedeutungsvoll wispernd – Lott ist immer noch eine großartige Charaktersängerin und bildete mit den ebenfalls hervorragend agierenden Philharmonikern eine Einheit vom starken Beginn an bis zum verinnerlichten „Départ“ am Schluss.
Im Schlusswerk wurde schnell klar, wo Marriners Musikerherz verortet ist: frisch und locker musizierte er mit den Philharmonikern Mozarts „Linzer Sinfonie“ C-Dur, der man keineswegs die rasante Kompositionsgeschwindigkeit anmerkt, die Mozart auf der Rückreise von Salzburg nach Wien befindlich bei diesem Stück angewendet haben muss. Marriner nahm sich Zeit für die Schönheiten des Werkes ohne den großen Überblick zu verlieren. Vielleicht war der letzte Schliff nicht immer ganz erreicht, wichtiger und schöner war jedoch der besondere musikalische Ausdruckswillen bei allen Musikern zu beobachten, der das ganze Konzert überspannte und zum Erfolg führte.
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