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Lebendige Versöhnung durch Musik

Benjamin Brittens „War Requiem“ in der Frauenkirche

Ein sonniger Herbsttag neigte sich, als die Besucher am Sonnabend der Frauenkirche zuströmten – Benjamin Brittens monumentales „War Requiem“ stand auf dem Programm, veranstaltet von der Stiftung Frauenkirche und musiziert von der Dresdner Philharmonie. Ein wenig sucht man da schon nach dem Anlass einer solchen Aufführung – rechtfertigt ein „normales“ Samstagabend-Konzert den Aufwand dieses Werkes, das mehrfach bereits zum Gedenktag am 13. Februar aufgeführt wurde? Diese Frage ist im Falle Britten zu bejahen – denn dieses Stück gehört als musikalisches Versöhnungszeichen ohnehin in die beiden Städte, das Nagelkreuz am Altar der Frauenkirche zeugt von der Verbindung, die im Gedenken, aber auch in Kunst und Kultur lebendig erscheint.

Die Frauenkirche darf gerne zukünftig einigen Mehraufwand betreiben, um dieses 1965, drei Jahre nach der Uraufführung in Coventry erstmals in Dresden erklungene, so wichtige Oratorium dem Dresdner Publikum nahezubringen. Dazu gehört eine gemäßigte Preisgestaltung ebenso wie Werkeinführungen und der Mut, auch einmal von der touristischen Vermarktung abzusehen, die doch allzusehr von der Absicht einer nachwirkenden Aufführung mit Aussage ablenkt.

Musikalisch befand man sich bei der Aufführung am Sonnabend auf allerhöchstem Niveau. Es war die zweite Aufführung des Oratoriums in der Frauenkirche überhaupt; die erste fand dort 2008 ebenfalls mit der Dresdner Philharmonie statt. Die Hamburgische Generalmusikdirektorin und Intendantin Simone Young, profunde Kennerin von Brittens Werk, verstand es exzellent, zwischen exakter, zugreifender Impulsivität und flüssiger Liniengestaltung (etwa im Agnus Dei) zu vermitteln. So erhielt das War Requiem eine Kontrastbreite, die im feinfühlig musizierenden Orchester zwischen innigstem Solo und herausbrechender Masse alle musikalischen Schattierungen zu zeigen vermochte.

Ein von Emotionen freier Nachvollzug des Werkes ist ohnehin schon unmöglich, läßt man sich nur einmal in die von Young gut gezeichneten a-cappella-Schlüsse der Sätze fallen. Mit enormer Weichheit und tragendem Ton wurden diese vom Philharmonischen Chor Brünn geformt, der für das Werk optimal vorbereitet war. Ausgezeichnete Deklamation, gute Intonation und jederzeit in großen Bögen und Linien fließende Stimmen waren die Kennzeichen dieses Spitzenchores. Dem stand der Philharmonische Kinderchor kaum nach, war aber – räumliche Grenzen waren erreicht – auf der seitlichen Chorempore akustisch nur diffus wahrnehmbar. Überragend gestalteten Andrew Staples (Tenor) und William Shimell (Bariton) die exorbitanten Solopartien aus den in den lateinischen Messetext eingefügten Gedichten von Wilfred Owen, die oft zu knapp intonierende Sopranistin Miriam Gordon-Stewart konnte mit dieser Qualität nicht mithalten. Am Ende schien selbst das Orchester ergriffen von der soeben gestalteten, unglaublichen Musik; fast zu kurz erschien die Stille im Rund der Kirche nach dem letzten – versöhnlichen – Chorakkord.

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