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Spannendes Zeitfenster

Philharmonisches Kammerorchester gestaltet Hommage an Stefan Frenkel

Man wäre gern dabei gewesen – bei den Konzerten, Ausstellungen und Zirkeln der 20er Jahre, in denen die Kunst diskutiert und hinterfragt wurde, schließlich umgestülpt und ad absurdum geführt wieder neue Freiheit genoss. Kreative Schübe und Aufbrüche vollzogen sich mit enormer Geschwindigkeit, und die Eilmeldungen und Premierenberichte waren auch ohne Facebook in aller Munde. Viele kleine und große musikalische Revolutionen von damals wirken bis in heutige Zeiten, anderes wurde schnell wieder vergessen oder abgelöst. Schließlich begrub ein grauenhafter Krieg und Genozid nicht nur die Hoffnungen auf eine freie Kunst, sondern löschte große Talente jäh aus oder zwang sie ins Exil.

Zur letzteren Gruppe gehört der Geiger Stefan Frenkel, der 1924 bis 1926 Erster Konzertmeister der Dresdner Philharmonie, die damals von Eduard Mörike (1877-1929) geleitet wurde. In dessen Amtszeit fallen viele Ur- und Erstaufführungen des Orchesters. Die Programme verabschiedeten sich vom bunten und abendfüllenden Potpourri-Stil der Kaiserzeit, und abseits des Orchesterpodiums fand man sich mit dem umtriebigen Komponisten und Veranstalter Paul Aron (auch diesen gilt es wiederzuentdecken) zu Aufführungen Neuer Musik zusammen, bei denen Paul Hindemith, das Kolisch-Quartett oder eben Stefan Frenkel neueste Kompositionen musizierten. Dass wir uns dieser Persönlichkeit erinnern dürfen, verdanken wir der aktuellen, höchst aktiven Musikergeneration in der Dresdner Philharmonie, die nicht duldet, dass bedeutende Schätze in den Archiven Patina ansetzen.

Dementsprechend kündigte Konzertmeister Wolfgang Hentrich das Konzert des Philharmonischen Kammerorchesters im Hygienemuseum als Auftakt zu einer Reihe „Dresdner Konzerte“ an, die sich zukünftig dieser spannenden Historie widmen wird. Die Hommage an Stefan Frenkel bildete den Auftakt und konnte musialisch zumindest ein kleines Zeitfenster öffnen. Hentrich selbst stellte zwei Sätze aus der noch sehr traditionsverhafteten Sonate für Violine Solo von Frenkel vor, bevor seine Konzertmeisterkollegen Heike Janicke und Ralf-Carsten Brömsel ihren Amtsvorgänger würdigten.

Janicke spielte eine Vivaldi-Bearbeitung von Frenkel, die zwar ganz stilecht mit Klavierbegleitung aufgeführt wurde, genau dieses Instrument wurde mit geöffnetem Deckel zur Rückwand leider komplett akustisch verschluckt. Ansonsten verleugnete die Aufführung die aktuelle Aufführungspraxis nicht – es ist eher fraglich, ob Vivaldi damals so musiziert wurde. Frenkels „Kleine Suite“ für Violine und Streichorchester offenbarte allerhand virtuose Schmankerl für den Solopart und befand sich im burlesken Hindemith-Stil am Puls der Zeit. Anders der Schreker-Schüler Karol Rathaus (1895-1954), der dem Dresdner Primarius eine Suite widmete: dieses von der Tonalität stark gelöste, expressive Werk wurde von Ralf-Carsten Brömsel und Andreas Hecker sehr ernsthaft und nuancenreich angegangen.

Dass man sich zum Schluss dieses anspruchsollen Programms für Ernest Blochs 1952 entstandenes Concerto Grosso Nr. 2 entschied, war sinnfällig für die Beschäftigung mit dieser Künstlergeneration – der emotional oft dunkle Unterton dieses in den USA entstandenen Werkes kündete mehr vom Ende und der Traurigkeit des Erlittenen denn von einem (nochmaligen) Neubeginn.

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