Requiem „Dresden – Ode to Peace“ in der Frauenkirche uraufgeführt
Unter großer Anteilnahme eines konzentriert die Darbietung verfolgenden Publikums ist am Sonnabend in der Frauenkirche Lera Auerbachs Requiem „Dresden – Ode an den Frieden“ uraufgeführt worden. Das rund 75minütige Werk ist für Knabensoprane, Countertenor, Bariton, Kinder- und Männerchor sowie Orchester geschrieben – die einzige Frauenstimme führt somit die russisch-amerikanische Komponistin – in dieser Saison Capell-Compositrice der Sächsischen Staatskapelle Dresden – selbst.
Das Werk bot jedoch viele Schattierungen zwischen dunkelsten Bass-Grundierungen und hellem Knabensopran, der oft noch zusätzliches Licht durch Schlagzeug (Zimbeln und Flexaton) erhällt. Auerbachs Requiem ist nicht nur in Bezug auf die Klangfarben ein Werk der Kontraste, auch die Texte und die verwendeten musikalischen Mittel atmen durch das ganze Werk hindurch einen komplexen, dialektischen Anspruch. Es ist nicht nur ein Requiem für die Dresdner entstanden, das Werk versucht Welt-Religionen und Welt-Auffassungen innerhalb des liturgischen Requiem-Gerüstes zu verbinden. Fast alle Sätze vertonen Schrecken und Hoffnung fast immer in naher Nachbarschaft, so dass eine nicht völlig auspendelnde Spannung entsteht. Das irritiert an manchen Stellen, etwa wenn „Vater unser“ oder „De profundis“ in der Emotionalität schwankend geraten, stets alle Instrumente spielen, alles singt und tönt, aber nicht klar ist, wohin die Reise geht.
Auerbachs Sprache ist von viel traditioneller Melodik und Kontrapunktik geprägt, sie erreicht über eingängige Motive wie dem „Dresdner Amen“ das Publikum. Oft ist ein spezifisch jüdischer Tonfall in Harmonik und Melodik einbezogen, der sich wie im „100. Psalm“ natürlich und frei entfaltet. In der Nivellierung bestimmter Zeichen und Materialien lag aber auch eine Schwäche des Werkes, das bei so vielen guten Ideen eine Schärfung der musikalischen Aussage vertragen könnte; zu schemenhaft wirkten etwa das „Tuba Mirum“ oder „Libera Me“.
Stärker wiederum wirkte die archaisch-dunkle Vertonung des Gedichtes von Christian Lehnert, das auf der Friedensglocke der Frauenkirche eingraviert ist. Akustische Schwierigkeiten im Kirchenraum waren nicht zu beheben, die Parallelität von Sprachen und Religionen im Text war selten verständlich. Viele Texte reihten sich syllabisch vertont wie an einer Schnur auf, ein gesprochenes Wort oder ein Innehalten der Instrumente wurde da schon zum Ereignis. Ein nahe am Kitsch vorbeikomponiertes tonales „Amen“ zur Einleitung des sanfte Hoffnung vermittelnden Schlusses fiel aus der Reihe, dies um so mehr, da als Folgesatz eine Engelsanrufung erfolgte, die in der Manier des Synagogalgesanges komponiert war und vom Knabenchor (Saint Thomas Boys Choir aus New York) und den Knabensolisten (Richard Pittsinger, Jack Keller) packend umgesetzt wurde.
Überhaupt sind die Leistungen der mutig agierenden Chöre (St. Paul’s Cathedral Choir, Herren des Staatsopernchores Dresden) sowie der Solisten Maarten Engeltjes (Countertenor) und Mark Stone (Bariton) hoch zu schätzen. Vladimir Jurowski am Pult der Staatskapelle hatte jede Menge koordinierende Arbeit zu leisten – es braucht sicher noch einige Aufführungen, bis dieses Stück auch frei schwingt. In einigen Momenten des Loslassens, das Auerbach selbst als Teil des Kompositionsprozesses beschrieb, waren jedenfalls wunderbare Momente zu hören. Dort, wo das Requiem losgelöst von Botschaft und Denken plötzlich reiner Klang wurde, wirkte es stark nach – so auch in der Stille der Gedenkminute, zu der sich alle Anwesenden nach der Aufführung erhoben. Schön wäre es, das Werk erneut zu hören, ist es doch nun mit der Stadt und seiner Geschichte als ein musikalisches Geschenk der Hoffnung verbunden – dafür ist man Lera Auerbach und den Interpreten dankbar.
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