Eldar Djangirov Trio – Klavierjazz beim Moritzburg Festival
Wenn man im Zusammenhang mit jungen, noch unbekannten Künstlern überproportional oft die Attribute Genie und Wunderkind wahrnimmt, wird man schnell vorsichtig mit seiner Begeisterung: zu oft waren es Persönlichkeiten, deren Stern am Musikerhimmel ganz schnell wieder verblasste. In der von solchen Geschichten nicht so oft erschütterten Jazz-Szene, wo das Publikum sehr sensibel auf diese seismologischen Schwankungen reagiert, zählt Können und eine entwickelte Persönlichkeit. Und da braucht man bei Eldar keine Sorge tragen.
Der in der kirgisischen Republik geborene Künstler zog samt Familie 1998 ins Mutterland des Jazz, um dort in Ruhe studieren zu können – da war er elf Jahre alt. Mit 18 spielte er auf namhaften Festivals und veröffentlichte sein erstes Album. Mit 25 ist er nun eine höchst anerkannte Größe im weltweiten Reigen der Jazzpianisten und vertritt durch seine markante, virtuose Spielweise zwischen Blues und Bebop (die Grenzen hebt er selbst mehrfach in den Stücken auf) seine eigene Handschrift. Auf Einladung von Jan Vogler gastierte er in einer Trio-Besetzung am Sonnabend beim Moritzburg Festival in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen.
Für einen nicht so geübten Jazzhörer war dieses Konzert sicher eine Grenzerfahrung, denn die 80-minütige Tour de Force über 88 Tasten erforderte auch eine Höchstgeschwindigkeit im hörenden Nachvollzug. Djangirov perlt sich derartig fix durch die Arrangements, dass man mehrfach rätselt, wie er überhaupt die Übersicht über Rhythmen, Hände, Freies und Festgelegtes behält. Der Stil der Arrangements ist durchweg modern; dass neben vieler kreativer Eigenkompositionen auch Standards von George Gershwin und Cole Porter gespielt wurden, ist fast nur durch die kurzen Moderationen spürbar – ist ein Thema angespielt, verschwindet es auch schon in einem Tunnel aus pianistisch aberwitzigen Kaskaden, an denen selbst Sergej Rachmaninow seine helle Freude gehabt hätte. Womit auch eine wichtige Basis für Djangirovs Spiel genannt wäre: Immer wieder schimmert tiefes Verständnis für die Klassiker des Klaviers durch, bezieht er doch aus diesem Repertoire eine unglaubliche Variantenvielfalt.
Bei aller Virtuosität des Pianisten fehlten mir persönlich im Konzert aber dennoch einige Nuancen: dass den beiden hervorragenden Musiker Armando Gola (Bass) und Ludwig Afonso (Drums) in den ersten vier Stücken lediglich die Aufgabe des Schattenkabinettes zukam und auch später wenig Atmosphäre einer wirklichen Session entstand, liegt an der kaum verneinten Klavier-Dominanz und den in der Summe doch zu brav heruntergespielten Arrangements. Da wirkten am Ende auch die dynamischen Hochschraubungen zu vorhersehbar, hätten Witz und überraschende Momente noch das i-Tüpfelchen gesetzt. Und schließlich ist eine Landschaft doch oft mit viel mehr Details zu betrachten, wenn man – und sei es auch nur ab und zu – das Tempo ein wenig zurücknimmt. Dass Eldar nämlich die Qualitäten besitzt, auch im Nachsinnen, in der Anschlagskultur Großartiges zu gestalten, zeigte er in diesem Konzert viel zu wenig.
[13.8.12]
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