Neue Ausgabe der „Briefmarkenopern“ an der Musikhochschule
Seit zwei Jahren gibt es an der Musikhochschule schon das spezielle Format der „Briefmarkenopern“ – ein Projekt der Kompositionsklasse von Manos Tsangaris. Hier werden bewusst Miniaturen zumeist szenischer und meist genreübergreifender Art präsentiert. Der zeitgenössische Komponist ist heute ohnehin eher seltener im klassischen Sinne ein „Tonsetzer“, im Multimediazeitalter und im freien Spiel mit Gattungen und mit oder gegen Konventionen werden die Instrumente gleich mit erfunden, spielt der Raum eine Rolle, integrieren sich Literatur, Theater, Elektronik und Licht.
Die Grenzen setzende Form der Miniatur schließlich macht besondere Konzentration möglich – nicht nur der Interpreten, die innerhalb eines festen Zeitraums die jeweilige Spannungssituation der Werke fassen müssen, sondern auch für den Zuhörer, der unvorbereitet auf die verschiedensten Ansichten und Zustände trifft. Dass daraus dann auch eine unsortierte, überquillende Briefmarkenschachtel werden kann, tut dem Vergnügen keinen Abbruch – jedem bleibt es überlassen sich seine Perlen zu suchen.
Die Stücke der Kompositionsstudenten hatten diesmal mehr einen Hauch von „Briefmarkensinfonik“ – behutsam und teilweise minimal wurde Raum und Szene eingebettet, etwa in „Macbeths Soliloquy“ von Deokvin Lee nur mit einem Scheinwerfer oder in Bakchos von Eleftherios Veniadis als kreisförmig und gleichzeitig bewusst starr bewegte Musik. Als Gastinterpreten begrüßten die Dresdner ein Ensemble des Studiengangs „Theatre Musical“ aus Bern, zu einem dort in der nächsten Woche stattfindenden Festival zum Thema Theater und Musik werden die „Briefmarkenopern“ damit erstmals quasi den Postweg antreten.
Obwohl der Konzertabend fast durchweg schon in seinem bunten Angebot der Phantasie sehr viel Spaß machte, waren nicht alle Stücke bewusst auf Komik ausgelegt, entwickelte sich eher feine Ironie, wie in Tobias Schicks „Inkonsequenza“-Stücken für virtuelle Bassflöte und virtuelle Oboe. Schicks Stücke preisen die Ökonomie: wenn der Instrument künftig sein Instrument vergessen hat oder aus Finanzgründen verkaufen muss, mimt er es schlicht selbst. Sehr gespannt darf man daher wohl auf Schicks erstes virtuelles Orchesterwerk sein. Konsequent in der Gratwanderung des Ausdrucks verhielt sich „rumps“ von Neele Hülcker mit wechselnden Musik-Attacken der Spieler an einem Tisch; die barschen Schnitte ließen das Spiel zwanghaft erscheinen, trotzdem erwuchs selbst aus dieser Enge ein poetisches Element. Still oder nachdenklich gerieten Stücke von Lorenz Grau und Carlos Gerardo Hernandez Canales – diese Stücke waren die einzigen des Abends, deren Verständnis sich nicht absichtsvoll sofort mitteilte.
Im Gegensatz dazu war „Tebel II“ von Nicolas Kuhn ein ebenso schönes Theater-Mobile wie Katharina Vogts „Literarisches Quartett“, hier die Elemente des Lesens neu sortierend. Im großen Finale setzte Deokvin Lee den Hochschul-Konzertsaal unter Wasser: „music for water und glasses“ war eine ausgewachsene „Postkarte“ unter den Briefmarkenopern – 8 Spieler bemühten sich um die facettenreichen Klänge aus Wasserbottichen und Gläserspielen. Hier wurde dann aber auch deutlich, dass nicht immer Idee und Umsetzung zueinander passen, denn der formal streng und üppig ausgearbeiteten Studie stand die Natur im Weg – und die plätschert eben seltenst im Viervierteltakt.
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