„Erste Anhörung“ an der Musikhochschule
Eine äußerst sinnvolle und in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich erprobte Kooperation zwischen der Dresdner Musikhochschule und der Dresdner Philharmonie wurde am Montagabend im Konzertsaal der Hochschule fortgesetzt: die „Erste Anhörung“, durchgeführt vom „KlangNetz Dresden“, das seit November 2012 als gemeinnütziger Verein die vierjährige Projektphase des „Netzwerk Neue Musik“ in Dresden in die Zukunft überführt. Die Erste Anhörung ist nur eines von vielen Vorhaben, die auch künftig fortgesetzt werden sollen.
Hier handelt es sich um die workshopartige Erprobung neuer Orchesterwerke von Kompositionsstudenten. Einmal im Jahr erhalten diese so die Möglichkeit coram publicam ihre Stücke von einem Profi-Orchester vorstellen zu lassen. Dass eine solche Veranstaltung Grenzen hat, ist vorstellbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass nur ein Tag Probe und Workshop machbar und möglich ist. Trotzdem lernen alle davon: Musiker und Dirigent lassen sich auf Neues ein und versuchen bestmöglich eine Partitur in Klänge zu verwandeln, die Komponisten – ohnehin selten mit Orchesteraufträgen gesegnet, können ihre Ideen „am Objekt“ realisieren. Schließlich lernt das interessierte Publikum eine Handvoll neuer, junger Handschriften kennen. Am Montagabend repräsentierten drei Studenten aus den Klassen von Mark Andre und Manos Tsangaris auch die Internationalität der Hochschule: aus Japan, Griechenland und den Vereinigten Staaten stammen die Autoren der Stücke.
Moderator Jörn Peter Hiekel stellte im Gespräch mit den Studenten die Werke kurz vor – allerdings geriet genau dieser Part diesmal unbefriedigend, denn die drei Komponisten wollten oder konnten kaum Stellung nehmen zu ihren Stücken – vermutlich ist man zu sehr in der Materie, als dass man einen plastischen Überblick zu formulieren in der Lage ist, genau dies wäre aber für einen unvorbereiteten Hörer interessant gewesen. Trotzdem konnte man sich beim Zuhören den Stücken ebenso vorsichtig und aufmerksam nähern, wie dies auch die Philharmoniker auf der Bühne taten.
Unter Leitung des jungen Dirigenten Alexander Merzyn – der 2013 Chefdirigent Michael Sanderling in Dresden assistieren wird – erklang zu Beginn „Band“ für Orchester von Aoi Kita, ein multimediales Projekt, in das auch die Künstlerin Carla Richter involviert war. Der Titel war hier Programm: Bänder und Wellen durchzogen das flächig angelegte Stück, das einige Male durch ständiges An- und Abschwellen des Apparates fast eine Schwerelosigkeit erzeugte. Joseph Lake (USA) erforschte mit „Signals of half-occulted senses“ das Innenleben von Klängen. Hier entstanden viele reizvolle, sich ineinander webende Klangarchitekturen, die immer am Rande des Verklingens angesiedelt waren. Problematisch wirkte die Statik des Stückes auf dem Zeitstrahl, so dass eine Zweidimensionalität entstand, die ein wenig auf der Stelle trat.
Waren hier schon zwei völlig unterschiedliche Welten berührt, so fügte Eleftherios Veniadis mit „Gogo und Didi“ nach Becketts „Warten auf Godot“ eine dritte hinzu: eine Theatermusik entfaltete sich vor Auge und Ohr, bei dem die Weillsche Strenge der Orchesterbehandlung und Form sowie die etwas platte rhythmische Umsetzung von Sprache in Musik leider das ganze Stück ins Holpern brachte. Veniadis zwang Beckett in ein Korsett, das viel zu eng geschnürt war und zu stark an expressionistische Versuche in genau diesem Genre (Funkoper, abstrakte Theatermusiken) des beginnenden 20. Jahrhunderts erinnerte. Die Problematik offenbarte sich also gar nicht so sehr in den vermutlich erwarteten Spielschwierigkeiten, sondern im Umgang mit Aussage, Form und Zeit – letztlich der Formulierung der ästhetischen Position der Komponisten, wobei Aoi Kita vermutlich das am besten funktionierende Konzept des Abends gelungen ist. Die Lebendigkeit der Veranstaltung sei ebenfalls hervorgehoben: alle Protagonisten waren sehr engagiert bei der Sache, um den inspirierten Künstlern von Morgen eine professionelle Stimme zu geben – das ist ehrenwert.
(ersch. DNN 30.1.13)
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