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Intelligente Kurzweil

Dresdner Philharmonie im Albertinum

In Nietzsches Zarathustra will der Protagonist die Tugend „am Ohr zupfen und mit ihr Kurzweil treiben“. Obgleich man das Alter des Begriffes bereits beim Aussprechen feststellt, umschreibt er doch etwas, das wir alle kennen: eine kurze Weile von Amüsement, Zerstreuung, Unterhaltung. Die „kurze Weile“ indes stellt Komponisten immer vor große Herausforderungen. Wie fängt man den Moment ein, den Geistesblitz, den intelligenten Witz? Leider verkehren die Klassikradios den Kurzweil-Begriff mittlerweile ins Absurde qua des Postulats, nur alles unter drei Minuten Dauer sei für den Verbraucher noch verdaulich.

Trotzdem lohnt die Beschäftigung mit dem Thema und so durfte man im 9. Konzert der Dresdner Philharmonie im Albertinum mit Werken Bekanntschaft machen, die in aller Kürze flott auf den Punkt kamen und sich dennoch reizvoll gaben. Paul Hindemith – ohnehin ein Meister des erfinderischen Details – war zu Beginn mit einer „Morgenmusik“ aus dem Zyklus „Plöner Musiktag“ vertreten. Ein Bläserquartett musizierte die barocken Vorbildern angelehnte Komposition ansprechend von der Empore aus. So erhielt das Konzert zunächst eine festliche Einleitung, die Hindemith aber selbst gleich mit dem nächsten „Knaller“ aushebelte. Frech und rasant kommt nämlich der „Ragtime“ für großes Orchester daher, eine brillant instrumentierte Groteske, bei denen man gerade im Albertinum an die Ausdruckswelten des Expressionismus (Jazzcombos waren ein beliebtes Bildthema) erinnert wurde. Mit Feuereifer und Spielwitz waren die Dresdner Philharmoniker unter Leitung von Chefdirigent Michael Sanderling bei der Sache.

Das setzte sich auch im folgenden Stück von Kurt Schwertsik fort, einem österreichischen Komponisten der Gegenwart. Seine „Schrumpf-Symphonie“ setzte das Thema Kurzweil auf intelligente Weise fort, enthält doch das fünfminütige Stück alle Merkmale einer klassischen Sinfonie und wirft einen verstörenden Blick auf die Vergänglichkeit von Eindrücken. Oder wollte uns Schwertsik doch nur veralbern? Der Komponist ließ das in seinen eigenen Worten offen, das Publikum goutierte anständig. Nach diesen „kurzen Weilen“ war noch ordentlich Platz in der ersten Konzerthälfte, die nun mit der traditionellen Abfolge Konzert – Sinfonie fortgesetzt wurde. Schade, dass man damit die schöne Dramaturgie etwas durchbrach.

Doch das Staunen blieb – denn ein Konzert für Bassposaune und Orchester ist eine Rarität. Stefan Schulz, Bassposaunist der Berliner Philharmoniker, hatte denn auch selbst für eine Bearbeitung von Søren Hyldgaard Tenorposaunenkonzert „Concerto borealis“ gesorgt und spielte mit der Dresdner Philharmonie die Erstaufführung dieses Werkes. Trotz Schulz souveräner Interpretation der Noten des 1962 geborenen dänischen Komponisten war dies jedoch kein befriedigendes Erlebnis. Hyldgaards im Filmmusikbereich angesiedelte Partitur reduzierte die Klangqualitäten und Spielmöglichkeiten der Posaune ausgerechnet auf ein fortdauernd zelebriertes lyrisches Piano-Spiel mit einer melodischen, völlig austauschbaren Erfindungsgabe, die hart an Winnetou-Illustrationsmusik und Schlagerkomposition vorbeischrammte. Schulz sorgte jederzeit für die Entfaltung romantischer Klanggebung, Sanderling besorgte den orchestralen Rahmen, zu einem Erlebnis mit Tiefgang kam es jedoch nicht.

Im zweiten Teil des Konzertes stand dann ein sinfonisches Werk auf dem Programm, das man ohne Zweifel auch auf die Thematik „Kurzweil“ hätte zurückführen können, allerdings nun in dem Sinne, dass kompositorische Ökonomie den Hörer schnell zum Wesentlichen führen kann und dabei die Explositivität des Unerwarteten gut zum Tragen kommt. Haydns letzte Sinfonie, in der Zählung Nummer 104, bekannt als „Londoner Sinfonie“ ist darin ein Meisterwerk und Sanderling arbeitete genau die Momente des Unerwarteten in allen Sätzen perfekt heraus, ohne den speziellen Spirit des Stückes anzutasten, der sich von der Naivität des exponierten Themas in der Einleitung des 1. Satzes bis zur unerschütterbaren Spiellust des Finales steigert. Das Orchester folgte Sanderling mit schöner Klangkultur und markigen Akzenten; besonders schön gelang das Andante mit der Sprache nachempfunder, natürlich ausgebreiteter Melodik. Dem galanten Menuetto folgte ein rechter Galopp im 4. Satz, der dieses kurzweilige Konzert lebhaft ausklingen ließ.

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