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Geschliffene Gratulation

Wagner-Geburtstagskonzert II mit Jonas Kaufmann und Christian Thielemann

Allerorten wird der 200. Geburtstag von Richard Wagner gefeiert, so auch an der wichtigen Wirkungsstätte in Dresden, wo Wagner bis 1849 viele große Werke konzipierte, als Hofkapellmeister uraufführte und der Nachwelt ein musikalisches Erbe hinterließ, das bis heute mit der Stadt eng verbunden ist und angemessene Würdigung verträgt. Nachdem sich das erste Geburtstagskonzert der Sächsischen Staatskapelle in der Frauenkirche Wagners unbekannteren Chorwerk widmete, war das Konzert am Vorabend des Geburtstages seinem Opernschaffen gewidmet.

Es tat gut, dass man sich nicht für ein trendiges Arienpotpourri entschied, sondern ein anspruchsvolles, dennoch die „Highlights“ vereinendes Programm aus den Dresdner Werken zusammenstellte. Medial in alle Welt übertragen war das Konzert nicht nur logische Chefsache für Christian Thielemann, mit Jonas Kaufmann gratulierte auch noch einer der brillantesten Wagner-Sänger unserer Zeit. Feierlichkeit und Festlichkeit bestimmte das ganze Konzert, das nicht zur prätentiösen Gala geriet – vielmehr präsentierte die Kapelle schon zu Beginn mit einer fulminanten „Holländer“-Ouvertüre ein musikalisches Gratulationsschreiben der geschliffenen Art.

Der in Dresden uraufgeführten, heute selten erklingenden Faust-Ouvertüre folgte „Rienzi“, wohl der besseren Wirkung wegen hatte man die Ouvertüre nach der Arie platziert. Als profunde Kenner der Materie war es Orchester und Dirigent eine sichtliche Freude, die jeweilige Charakteristik der Themen, Übergänge und Steigerungen in den Stücken auszuformen und dabei stets klangliche Feinheiten im Auge zu behalten. So ließ Thielemann die thematischen Verschlingungen im Lohengrin-Vorspiel nicht verwischen, sondern forderte Präsenz in den Streichern; er rundete Schlussakkorde sauber ab und vermied hohlen Schlachtenlärm in der Rienzi-Ouvertüre – das ist Wagner auf hohem, fast luxuriösem Niveau.

Die Einbettung eines Werkes von Hans Werner Henze war eine posthume Ehrung des Capell-Compositeurs, die mit der Auswahl von „Fraternité“ (1999) auch musikalisch passend geriet. Unterschwellig spürte man in diesem Stück Henzes intensives Abarbeiten an einem eben nicht klar vor Augen stehenden und nur im Titel eindeutig benannten Ziel – in musikalischen Visionen scheinen beide Komponisten merkwürdig vereint.

Jonas Kaufmann hatte mit dem Gebet des Rienzi, der Gralserzählung aus dem „Lohengrin“ (hier in der zweistrophigen Dresdner Urfassung) und der Rom-Erzählung aus dem „Tannhäuser“ drei große Szenen zu gestalten. In allen diesen Monologen hinterließ Kaufmann beim Zuhörer das Gefühl, das Vorher und Nachher in der Oper just miterlebt zu haben, so intensiv und von authentischer Leidenschaft geprägt war sein Gesang: zurückhaltend-innig im Gebet, aufwühlend als Lohengrin, schließlich entrückt in der verwehrten Erlösung als Tannhäuser – stimmlich jederzeit überragend.

Christian Thielemann schaltete zum Finale noch einen Gang hoch und musizierte den abschließenden „Einzug der Gäste“ samt Staatsopernchor ausgelassen – die Beifallsstürme für Kaufmann und Thielemann wollten nicht enden.

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