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Vor der Apokalypse

Giuseppe Verdis „Requiem“ mit Gianandrea Noseda und dem Teatro Regio Torino

Fast alle großen Komponistenjubilare des Jahres 2013 sind bei den Musikfestspielen vertreten: Wagner, Lutoslawski, Britten wurden schon in verschiedenen Konzerten gewürdigt, Giuseppe Verdis „Requiem“ stand am Dienstagabend in der Kreuzkirche auf dem Programm. Das Dresdner Publikum kennt die Musik gut – 2014 wird es wieder zum Gedenktag am 13. Februar erklingen. Doch an diesem Werk scheiden sich manchmal die Geister, auch wenn genau dieser Zwist die Größe Verdis zu beschreiben scheint: Belcanto-Schmelz und religiöse Tiefe, geht das zusammen? Das geht wunderbar, wenn man das Stück als Ausdruck seiner Zeit, seiner Kultur begreift und dann auch noch italienische Protagonisten wie die Ensembles des Teatro Regio Torino einlädt, die in der Kreuzkirche eine derartige Spannung erzeugten, als sei es die weltweit allerletzte Aufführung und die Apokalypse sei nahe. Mit einer solchen Haltung ist auch die Direktheit, die emotionale Kraft und Wucht verständlich, die Dirigent Gianandrea Noseda über volle neunzig Minuten in jeder Phase von seinen Musikern einforderte. Dennoch war die Interpretation auch in ihren Extremen gekonnt: Noseda zeigte scharf ausgelotete Kontraste und gab seinen Musikern auch guten Atem in den Übergängen.

Schon der Beginn des im pianissimo erdlos schimmernden „Requiem Aeternam“ war fesselnd und von allen Mitwirkenden kongenial umgesetzt. Im „Dies Irae“ fegte dann ein wahrer Sturm durch die Kreuzkirche. Der Coro Teatro Regio Torino überzeugte schon zu Beginn mit homogener Linienführung; hier war es der obertonreiche, frei strömende Klang, der sich wie ein Naturereignis ausweglos über die Zuhörer legte. Es gibt viele sehr gute Opernchöre auf der Welt, aber eine solche Flexibilität im Klang, die dann im „Agnus Dei“ zu entrückter Schönheit und im von Noseda flott genommenen „Sanctus“ zu geheimnisvoller Diktion führte, erlebt man selten. Orchester und Solisten standen dieser Leistung in nichts nach, vor allem die Bläser hatten sich offenbar sofort in die Akustik der Kreuzkirche verliebt und gestalteten ihre Soli mit Wärme – viele Schlussakkorde verloren sich sanft im Rund.

Kristin Lewis, Sonia Ganassi, Francesco Meli und Ildar Abdrazakov bildeten das passende und stimmgewaltige Solistenquartett für dieses Werk. Ganassi legte allerdings auf Dauer eine Spur zuviel Leben und Leiden in ihre bis auf den letzten Konsonanten ausgearbeiteten Gesangslinien, während man genau dieses Quentchen Emotion bei Kristin Lewis‘ glockenklaren und in der Tiefe energischen Sopran vermisste. Meli und Abdrazakov (besonders im „Mors Stupebit“) vermittelten eine Natürlichkeit und Freiheit des Gesangs, die nur noch mitriß.

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