Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie mit Lise de la Salle
Mit einem ersten Konzert im Lichthof des Albertinums startete am Wochenende die Dresdner Philharmonie in die neue Saison – die zweite Reisesaison in der eigenen Stadt ohne festen Saal. Chefdirigent Michael Sanderling lag es daher auch am Herzen, den Zuhörern in diesem Konzert persönlich für die gehaltene Treue und Solidarität im vergangenen Jahr zu danken. Die Reise geht weiter – an bekannten und nunmehr erprobten Spielstätten mit verläßlichen Partnern.
Das erste Sinfoniekonzert bot ein abwechslungsreiches Programm – weniger Pomp als vielmehr Können war gefragt, denn die Stücke waren durchweg sehr anspruchsvoll. Benjamin Brittens aus einer Filmmusik heraus entstandene frühe Orchestersuite „Soirées musicales“ wirkt nur auf den ersten Blick leichtfüßig. Das Vorbild der Lieder von Gioacchino Rossini ist immer offensichtlich, doch hier macht sich schon die raffinierte Orchestrierungskunst des jungen Britten bemerkbar. Sanderling ließ hier viel ausmusizieren und sorgte für einen beschwingten Gesamtklang, bei dem aber Sorgfalt zu spüren war.
Die erst 25jährige französische Pianistin Lise de la Salle ist bereits auf der ganzen Welt zu Hause – schon mit 15 nahm sie bei einem großen Label ihre erste Soloplatte auf. Ihre Interpretation des A-Dur-Konzertes KV 488 von Wolfgang Amadeus Mozart zeigte, dass sie sich weitgehend unabhängig von dem nicht gerade zimperlichen Klassikmarkt stetig weiterentwickelt hat und gerade bei diesem Komponisten eine beachtliche Reife und Tiefe erreicht. Sehr deutliche Artikulation paarte sich hier mit dem Willen, dem jeweiligen Charakter der Sätze auf den Grund zu gehen. Das schaffte Lise de la Salle mit einer kontrollierten Spannung, in der ab und an noch Wildheit schlummerte, die sie aber eben „mozartesk“ einsetzte, in Dosierungen, die charakterstark und überlegt wirkten.
So gestaltete sie den 1. Satz mit schöner Themenkontrastierung, fesselte mit Poesie im zweiten Satz und spielte das kleine Feuerwerk des 3. Satzes auf vollkommen natürliche Art. Nicht ganz so pointiert antwortete das Orchester – die Einleitung erschien etwas flach im Ausdruck, und manche Binnendynamik in den Phrasen hätte mehr Prägnanz vertragen können – der erste Orchestereinsatz im 2. Satz hatte davon allerdings etwas zu viel. Lise de la Salle bedankte sich für den doch etwas artigen Applaus (das darf sich bei solchen Ausnahmekünstlern auch gerne einmal ändern) mit „La danse de Puck“ aus den Préludes von Claude Debussy.
Eine große Aufgabe wartete nach der Pause auf die Philharmoniker: Igor Strawinskys Ballett „Petruschka“ – zwischen dem „Feuervogel“ und dem „Le Sacre du Printemps“ für Diaghilevs „Ballets Russes“ in Paris entstanden – musizierte das Orchester mit höchster Konzentration. Michael Sanderlings anfangs auf Tempokontrolle achtendes, fast mäßiges Tempo entpuppte sich später als interessantes interpretatorisches Konzept: Agogik im Ausdruck blieb fast ausschließlich den vielen – durchweg stark vorgetragenen – Soli vorbehalten. Im Tutti setzte Sanderling aber viel mehr auf eine von Rhythmus und Kraft getragene Lesart, die fast holzschnittartig wirkte, damit aber auch den Erscheinungsformen der Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts Rechnung trug. Das war eine Ballettaufführung, die der Komponist sicherlich goutiert hätte – bis auf den etwas rumpeligen Konzertschluss, für den sich Sanderling entschied – zu der Komposition desselben für eben solche Konzertgelegenheiten ließ sich Strawinsky nur widerwillig überreden.
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