Mozart und Schostakowitsch im Philharmonie-Konzert
Würde man ein Assoziationsspiel machen, bei dem man Interpreten bestimmten Komponisten zuordnet, so wäre die Sache bei der Japanerin Mitsuko Uchida klar: Mozart! Damit unterschlüge man allerdings ihr enormes Repertoire, ihre Liebe zur Kammermusik und zur Liedbegleitung. Und doch darf man es als Geschenk ansehen, diese Künstlerin in einem Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart erleben zu dürfen. Dabei zählt das von ihr für das Konzert mit der Dresdner Philharmonie im Albertinum ausgewählte Konzert B-Dur KV 456 gar nicht einmal zu den populären Werken dieser Gattung.
Des Meisters Notenproduktion hatte im geschäftigen Jahr 1784 gehörig Fahrt aufgenommen und Mozart schrieb die Konzerte nahezu „in Reihe“. Die Interpretation von Uchida vermittelte jedoch von Beginn an eine solche Lust und Freude am Hervorlocken der Themen, der Entwicklung und vielfältiger Ausdrucksebenen, dass man fast von einer Vergoldung sprechen muss. Dabei schwebte Uchida niemals über den Dingen; sie sprach nicht über die Musik, sondern ließ „ihren“ Mozart sprechen. So gelangen ihr bereits in der Kadenz im ersten Satz traumhaft schöne Phrasierungen und eine simple solistische Akkordsequenz wirkte nicht funktional, sondern wie ein vorgetragenes Gedicht.
Diese Musikalität übertrug sich auch auf die Philharmoniker, die in mancher Pause der Solistin fast andächtig lauschten, dann aber mit Chefdirigent Michael Sanderling den Dialog aufnahmen und für sichere und kontrastreiche Unterstützung sorgten. Damit wäre man eigentlich mit musikalischem Glück ausreichend versorgt gewesen, doch es gab noch ein weiteres tief nachwirkendes Musikerlebnis an diesem Abend: nach der Pause stand die letzte, die 15. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch auf dem Programm.
Obwohl ausgerechnet dieses Werk mit (Selbst-)Zitaten angereichert ein ganzes künstlerisches Leben reflektiert, kann man diese Sinfonie nicht erklären. Ungeschliffen, fast nackt kommt diese Musik daher und stellt Interpreten wie Zuhörer vor große Anforderungen. Michael Sanderling vermied eine zu überspitzte, karierende Haltung und ging der Gefahr aus dem Weg, dass das Stück in seine teilweise schroff aufeinander folgenden Einzelteile zerfällt – gleich der 1. Satz erhielt durch Sanderlings kluge Disposition in den Übergängen ein fatalistisches „Müssen“ und lebte von scharfen Kontrasten.
Mit großer Ruhe ging Sanderling das Adagio an – hervorragend ausgehört waren hier die sanften Blechbläserpassagen; auch die Soli des Cellos und der Posaune waren mit empfundenen Ausdruck musiziert. Der kurze 3. Satz wirkte in Sanderlings gemessen genommenen Tempo wie ein kühler Kommentar zur ganzen Sachlage, während der Finalsatz im spannungsgeladenen kammermusikalischen Vortasten den 2. Satz spiegelte. Durch diese Gesamtanlage potenzierte sich die Wirkung des verzerrt-schmerzhaften Höhepunktes kurz vor Schluss, bevor das Werk – der Musik fast enthoben – mit leise tickendem Schlagwerk auspendelte. Danach benötigten Orchester und Zuhörer einige Sekunden der Ruhe, bevor man sich auf dem Podium wie im Auditorium sehr einig war – diese Aufführung war stark.
(10.2.14)
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