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Kristalline Klarheit

Hilary Hahn, Paavo Järvi und das hr-Sinfonieorchester gastieren in der Semperoper

Die Momente in einem klassischen Konzert, in denen für einen Zuhörer einfach alles stimmt, sind rar. Hält ein solcher Zustand gar über ein ganzes Werk stand, so stellt sich ein besonderes Glücksgefühl ein. Dementsprechend hätte der Applaus in der Semperoper nach der hervorragenden Darbietung des Violinkonzerts von Johannes Brahms mit der US-amerikanischen Geigerin Hilary Hahn und dem hr-Sinfonieorchester unter Leitung von Paavo Järvi durchaus brausender ausfallen dürfen. So etwas hört man nämlich nicht alle Tage.

Hahns Interpretation zeigte eine große Reife und Perfektion, wobei letzteres im Sinne einer alle Nuancen des Werkes umfassenden, frei schwingenden Musikalität gemeint ist. Hahn gestaltete die Exposition des 1. Satzes in kristalliner Klarheit – mit der Tür ins Haus zu fallen ist ihre Sache nicht. In dieser Deutlichkeit baute sie ein über alle drei Sätze tragendes Spannungspotenzial auf, bei dem die Motive sinnfällig verbunden wurden und Raum für eigene Entfaltung erhielten. Hahn gestaltete vor allem die Übergänge zwischen kontrastierenden Abschnitten äußerst klug und fand immer wieder zu einer ruhigen Gelassenheit zurück, aus der eine neue kräftige Phrase oder eine bis in den letzten Bogenstrich vollendete Kantabilität entstehen konnte. In dieser Plastizität aller Elemente erhielt das Werk quasi eine Hochschätzung, die leichtes und selbstverständliches Musizieren ermöglichte. Die sichere Basis des fast mit Noblesse begleitenden Orchesters tat ein Übriges für dieses besondere Musikerlebnis.

Nach der Pause wurde Hilary Hahn für ihre Verdienste um die Nachwuchsförderung und Vermittlung der Musik mit dem diesjährigen Glashütte-Musikfestspielpreis geehrt. Weit über das reine Konzertieren hinaus engagiert sich die Geigerin seit Jahren für den Austausch über Musik, entwickelt Social-Media-Projekte oder läßt gleich zwei Dutzend Komponisten rund um den Erdball neue Stücke für sie komponieren. Hahn spendete als Dank einen kleinen Gedankenausflug zum Thema Erfolg, für sie bedeute dieser Begriff, „etwas Schönes zu kreieren und eine Verbindung zwischen Menschen zu bauen.“

Diesem Ethos folgte auch die folgende Aufführung der 3. Sinfonie d-Moll von Anton Bruckner. Paavo Järvi, nach siebenjähriger Chefzeit beim hr-Sinfonieorchester nun in der ehrenwerten Position eines „Conductor Laureate“, formte eine Interpretation, die von stetiger Partnerschaft und Vertrauen bestimmt war. So konnte in den von Järvi meist flüssig musizierten Sätzen eine exzellente Klangkultur aufblühen, die sich immer mehr zu freiem Spiel aufschwang. Vor allem das hier betont derb tänzelnde Scherzo und das saftig ausmusizierte Finale gelangen großartig – ohne Zugabe durfte das hr-Sinfonieorchester nach dem starken Applaus die Bühne selbstverständlich nicht verlassen.

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