The King’s Singers gastierten mit dem „Great American Songbook“
Sie mussten gleich ein zweites Konzert ansetzen – die Könige des a-cappella-Gesangs. Denn rasch war das Musikfestspiel-Gastspiel der „King’s Singers“ im Ballsaal des Brauhauses Watzke in Pieschen ausverkauft. Dem Ensemble, das schon mehrfach in Dresden zu erleben war, wurde „a very warm welcome“ bereitet, konstatierten die sechs Sänger nach ihrem Konzert – und das war auch von der Temperatur im Ballsaal her wörtlich zu nehmen. Das störte aber nahezu niemanden, denn das Publikum war ohnehin die ganzen zwei Stunden damit beschäftigt, mit Staunen und Bewunderung dieses Bad im Vokalklang-Luxus zu genießen. Es wäre wohl ziemlich gleich gewesen, welches Motto die Festspiele den King’s Singers angeboten hätte – die sechs smarten Herren kennen sich von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Musik und vom Pop bis zur Weltmusik in allen Genres aus.
Zufällig passte das Musikfestspielmotto der „Goldenen 20er“ gut zur jüngsten Aufnahme des Ensembles: das „Great American Songbook“ ist ein hervorragendes Dokument der Entwicklung der amerikanischen Musikkultur zu Hoch-Zeiten des Broadways, aufkommender Musikfilme und natürlich des Radios, wobei die meisten berühmten Songs erst später entstanden und bis heute in unzähligen Arrangements zum Repertoire von Jazz- und Popmusikern gehören. Im ersten Teil des Konzertes kamen – neben einem Cole Porter gewidmeten Abschnitt – vor allem George Gershwin und die Comedian Harmonists zu Ehren.
Von „Love is here to stay“ spannte sich der Bogen über „Tea for Two“ und die Comedian-Harmonists-Klassiker „Wochenend und Sonnenschein“ und „Mein kleiner grüner Kaktus“ bis hin zu Duke Ellingtons „Creole Love Call“. Staunte man einmal nicht gerade über die feinen Bearbeitungen etwa von Daryl Runswick, so konnte man sich am glasklaren Gesang der „King’s“ laben. Hat sich die Besetzung in fast 50 Jahren auch immer wieder einmal geändert, so blieb die hohe Klangkultur konstant: gemeinsame Gestaltung und perfekte Intonation selbst in halsbrecherischen Modulationen ist so selbstverständlich wie das Atmen selbst.
Kaum etwas lenkte bei diesem Konzert von den Standards ab: wenn die King’s Blicke oder Gesten in die Songs hineingeben, so geschieht dies auf eine dezente, fast liebevolle Art, und das sitzt ebenso perfekt wie die feinen Maßanzüge der sechs Herren. Lag es an der doch hierzulande nicht so deutlich ausgeprägten Rezeption der Standards oder eher an den weniger spektakulären Arrangements von Alexander l’Estrange, dass der zweite Teil des Konzertes – komplett aus dem Songbook gespeist – nicht ganz so hinreißend ausfiel wie der erste? Ein echter Kontrast oder „Reißer“ fehlte im Programm; auch „My funny Valentine“ und „The Lady is a Tramp“ waren am Ende schlichte Edelsteine, in denen die Soli ebenso rund klangen wie die durch die Stimmen wandernde Begleitung. Colemans „The Best is Yet to Come“ war da schon fast ein Understatement: Sorry, liebe King’s Singers, besser geht es einfach nicht.
Alexander Keuk
CD-Tipp
The King’s Singers: The Great American Songbook, 2 CDs (Signum, 2013)
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