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Vollkommene Hingabe

Anja Harteros brilliert in den „Vier letzten Liedern“ im Kapellkonzert

Die Sächsische Staatskapelle rüstet für das große Richard-Strauss-Jubiläum, das zum 150. Geburtstag am 11. Juni mit einem großen Gala-Konzert gewürdigt wird. Bereits am Sonntag dirigierte Chefdirigent Christian Thielemann das 11. Sinfoniekonzert mit Strauss-Werken. Der Beginn gehörte jedoch dem diesjährigen Capell-Compositeur Wolfgang Rihm. Während sich die vor einem Jahr ebenfalls im Kapellkonzert wiederaufgeführten „Ernsten Gesänge“ von Hanns Eisler nicht explizit auf Johannes Brahms gleichnamiges Spätwerk bezogen, wird hier die Beschäftigung offenkundig: Rihm nimmt harmonische und melodische Fortschreitungen ins Visier und formt daraus ein merkwürdig vertrautes Stimmungsbild, das von melancholischem Nachsinnen bestimmt ist.

Dafür wurden vier Klarinetten exponiert dort platziert, wo sonst die ersten Violinen sitzen – der warmtönend-grüblerische „Spätwerkklang“ von Brahms wird hier nie verleugnet. Christian Thielemann konnte mit dem 1996 entstandenen Stück viel anfangen, da es hier auf klangmalerische Nuancen ankam, die er der Kapelle hervorragend zu entlocken weiß. Auch in die folgenden „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss war Wolfgang Rihm einbezogen – er orchestrierte das erst in den 80er Jahren im Nachlass der Sängerin Maria Jeritza wiedergefundene Strauss-Lied „Malven“, das aber ausdrücklich nicht in den Zyklus gehört, wohl aber nun als „allerletztes Lied“ des Meisters gehandelt wird.

Rein von der kompositorischen Faktur wirkte es, an zweiter Stelle zwischen die Hesse-Lieder „Frühling“ und „September“ gesetzt, allerdings wie ein Fremdkörper, daran änderte auch Rihms behutsame Instrumentation nichts. Absolut großartig ist allerdings die Interpretation der nun fünf Lieder durch die Sopranistin Anja Harteros zu nennen. Eine nur vollkommen zu nennende Hingabe und Einfühlsamkeit ging einher mit der in absoluter Ruhe und Besonnenheit geführten Stimme. So konnte Harteros mühelos sowohl visionäre Erwartung im „Frühling“ als auch den gewisshaften Abschied im „Abendrot“ entfalten und legte den Text in völlig natürlich scheinender Weise auf ihre strömenden Melodielinien. Hat man diese Lieder je schöner gehört? Christian Thielemann bettete Harteros selbstverständlich auf Orchester-Samt und führte die von der Sängerin immer intimer geformte Atmosphäre mit dem entrückten Orchesternachspiel zu einem nachdrücklichen Abschluss.

Nach der Pause wartete die Gipfelbesteigung: Ein Strauss-Geburtstag ohne die 1915 entstandene „Alpensinfonie“ ist vor allem in Dresden undenkbar, steht die Widmung „Der Königlichen Kapelle in Dankbarkeit“ doch gleich auf der zweiten Partiturseite. Trotz des realen topographischen Defizits in Sachsen bewiesen die Kapellmusiker reichlich bildhaftes Vorstellungsvermögen für Sonnenaufgang und Gipfelsturm samt tosendem Gewitter. Thielemann sorgte dabei für recht flüssigen Fortgang, viel Kantables und gute Präzision und stellte vor allem die Tiefenschärfe der „Fotos“ ein: gleich der erste Sonnenaufgang wurde in lediglich mildem forte platziert und auch im größten Sturmgewirbel besann man sich der mittels vielerlei Noten zu erzeugenden feinen Landschaft – bis hin zur in b-Moll herniedersinkenden Nacht: ach, schön.

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