Rachmaninow und Ravel bei der Dresdner Philharmonie
Irgendwann müssen sie alle hindurch: das 2. Klavierkonzert c-Moll von Sergej Rachmaninow ist für junge Pianisten im Konzert und in Wettbewerben meist ein erstes Glanzstück, bevor man sich an das ungleich diffizilere dritte herantraut. Für Rachmaninow selbst war es nach der einigen missglückten sinfonischen Experimenten der auch nach einer seelischen Krise dringend benötigte Durchbruch, wenngleich sich an Rachmaninows schmachtenden Melodien auch heute gern die Geister scheiden. Pianisten wissen viel damit anzufangen, gerade das 2. Klavierkonzert bietet reichlich Spielmaterial für eigene Auslegung und Emphase bestimmter Empfindungen.
Die venezolanische Pianistin Gabriela Montero war am Wochenende zu Gast bei der Dresdner Philharmonie – bei ihr wurde das Konzert interessanterweise zu einer recht ernsten Angelegenheit. Diese Nuance mag zwar aufgrund der Moll-Tonart einleuchtend erscheinen, doch man hat bei diesem Konzert viele eher dramatisch-vorpreschende Sichtweisen in Erinnerung. Um so aufmerksamer wurde man schon bei den einleitenden Takten, die Montero bedächtig und mit Sinn für die dunklen Klangfarben des Klaviers setzte – das wurde auch sogleich vom Orchester aufgenommen. Am Dirigentenpult war Stefan Solyom, amtierender Generalmusikdirektor in Weimar, für Alain Altinogru eingesprungen. Orchester und Solistin begaben sich in einen gegenseitig inspirierenden Dialog, wobei Monteros manchmal eigenwillige Atmung in einigen Phrasen höchste Aufmerksamkeit erforderte.
Mit der offenliegenden Virtuosität hatte Montero wenig Probleme, aber hier lag auch nicht ihr Hauptinteresse – dieser Rachmaninow war von viel Melancholie und fast untergründigem Schmerz geprägt; erst im dritten Satz kann sich ein aufbegehrender, zum Ende hin drängender Impetus durchsetzen. Wer Gabriela Montero kennt, dürfte gespannt die Zugabe erwartet haben – die Pianistin widmet sich schon lange der Improvisation und bezieht diese auch selbstverständlich in ihre Konzerte ein. Das Dresdner Publikum schien etwas überrascht von der plötzlichen Interaktion und so kam das Motiv schließlich aus dem Orchester: Über Beethovens „Schicksals“-Thema legte Montero quasi eine Bach-Busoni-Fantasie hin, die aufgrund der harmonischen Fortschreitungen und immer virtuoseren Verzierungen großen Beifall hervorrief. Nach dem Konzert gab Gabriela Montero im „Epilog“ noch weitere Improvisationen zum Besten und verwandelte dabei beispielsweise den Klassiker „Yesterday“ in ein südamerikanisches Klavierfeuerwerk.
Doch zuvor hatte die Dresdner Philharmonie noch ein gewaltiges sinfonisches Werk zu bewältigen: Das Ballett „Daphnis und Chloé“ schrieb Maurice Ravel 1912 für Serge Diaghilews „Ballets Russes“, für das auch Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ ein Jahr später entstand. Statt der beiden Suiten hatte die Philharmonie das komplette etwa einstündige Ballett, von Ravel „choreografische Sinfonie“ betitelt, auf den Pulten liegen. Stefan Solyom schuf eine präzise, weitgehend auf sicheres Spiel bedachte Interpretation. Diese vermochte vor allem in vielen dramatischen Passagen zu überzeugen, jedoch änderte dies nichts an einer insgesamt etwas nüchternen Grundhaltung mit vielen das Werk zerstückelnden Generalpausen, außerdem wurde auch der von Ravel eingesetzte Vokalisen-Chor eingespart – schade. Beeindruckend war jedoch, wie die teilweise sehr schweren Solopassagen vor allem der Bläser gemeistert wurden, auch das Schlagwerk kam mit Solyoms klar organisierendem Dirigat gut zurecht. Letztlich fehlte der Aufführung ein Quentchen französischer Duft und damit die Bereitschaft zu einer leichten Übertreibung – in alle emotional denkbaren Richtungen.
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