Krystian Zimerman gastierte bei im Sinfoniekonzert der Staatskapelle
Die Vorfreude auf das 3. Sinfoniekonzert der Staatskapelle Dresden war kaum zu fokussieren – man war extrem gespannt auf die Begegnung mit dem großen Pianisten Krystian Zimerman, der vor 30 Jahren das letzte Mal in Dresden auftrat – da hatte er kurz zuvor den Chopin-Wettbewerb in Warschau gewonnen. Gespannt war man auch auf den ehemaligen Chefdirigenten der Staatskapelle, Herbert Blomstedt, der mit regelmäßigen Konzerten in Dresden dem Orchester die Treue hält. Dabei beschränkt sich der 87-jährige keinesfalls auf ein enges Repertoire; dieses Mal beschenkte er die Dresdner mit einem Werk eines schwedischen Landsmanns – der 2. Sinfonie g-Moll von Wilhelm Stenhammar.
Denken wir an nordische Musik, so haben wir sofort die Namen Grieg, Sibelius und Nielsen im Sinn, leider kümmern sich nur wenige Orchester außerhalb Skandinaviens um die reichhaltige Musik neben diesen Lichtgestalten. Die Aufführung der gewichtigen Sinfonie des Spätromantikers Stenhammar war jedenfalls ein gutes Plädoyer. Im Stück lassen sich etliche Verbindungslinien zu Kontinentaleuropa und verschiedenen romantischen Schulen ziehen. Man würde Stenhammar allerdings unrecht tun, ihn zu stark damit zu konnotieren – die eigene Handschrift kam in der Interpretation durch Blomstedt sehr gut heraus und manifestierte sich vor allem in vielen ungewöhnlichen Formverläufen, eigener Instrumentation und manchen naiv anmutenden Themengestalten, die aber ihren Ursprung im schwedischen Volkslied und in geistlichen Gesängen haben. Auch die strenge, akademische Seite arbeitete das Orchester im Finale heraus, wobei man trotz Blomstedts höchst kundiger Leitung nicht das Gefühl bestreiten konnte, dass hier sinfonisches Neuland betreten wurde – die sofortige Lockerheit aus Erfahrung trat natürlich im Spielton nicht immer ein.
Nach dieser Neuentdeckung ging es in bekannte Gefilde zurück – an der Qualität von Johannes Brahms 1. Klavierkonzert d-Moll zweifelte wohl der Komponist selbst am meisten, heute ist es ein gewichtiges, dankbares Werk für alle Pianisten und Orchester. Krystian Zimerman sog schon im Vorspiel die Energie aus dem Orchester auf und gestaltete dann ein Musikerlebnis, dass man so leicht nicht vergessen wird. Grund dafür war sein Charisma, das von großem Ernst und Anspruch an das Werk bestimmt war und sich sofort dem Publikum mitteilte, dass fortan in den Bann gezogen wurde. Schwerlich lassen sich Worte finden, die Anschlagskultur, Phrasengestaltung und Übersicht über das gesamte Werk beschreiben – das wohl Geniale der Klavierkunst Zimermans manifestiert sich nicht in ausgestellter Perfektion, sondern in einer unglaublich energiereichen Selbstsicherheit, die Brahms Noten zu einer Urerfahrung werden ließ. Damit wurde auch Kategorien wie Geschmack oder Gefallen hinfällig, denn man geriet ins Staunen und folgte Zimerman willig auf dieser Reise durch die Schluchten dieses Klavierkonzertes, fühlte gar selbst die Sicherheit beim Hören, die der Pianist in jeder Phrase ausstrahlte.
So an die Hand genommen, konnte man die lyrischen Verästelungen des zweiten Satzes als auch Zimermans Temperament und Unerbittlichkeit in den Ecksätzen intensiv erleben, wobei Zimerman immer Maß und Überlegung, ja fast sogar eine edle Überlegenheit walten ließ. Herbert Blomstedt und die Staatskapelle verinnerlichten Zimermans Intentionen und konnten daher weit mehr als eine Begleitung verkörpern. Während man sich im ersten Satz in den Ausschlägen der Emotionen noch etwas abtastete, gelangen die anderen beiden Sätze im Dialogisieren außerordentlich gut. Eine Zugabe gab Krystian Zimerman nicht, es wäre in diesem Fall auch eine merkwürdige Überhöhung des Glücks gewesen, das am Ende auf der Bühne wie im Auditorium fühlbar war – es war alles gesagt.
(27.10.)
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