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In den Strudel der Musik gezogen

Hochschulsinfonieorchester Dresden in der Semperoper-Matinee

Vermutlich ist es zuviel verlangt und dennoch muss der Wunsch geäußert werden angesichts einer umwerfenden Hörerfahrung im Konzert der Musikhochschule Dresden: In unserer reichhaltigen Kultur erliegen wir zu oft einem Kanon, der uns unwidersprochen präsentiert wird – da zählen Quote und Wiederholung des Genehmen, Bekannten mehr als die Neugier und das Experiment. Auf diese Weise werden aber ständig wichtige Kunstwerke einfach unter den Teppich gekehrt, bleibt der Mut und der Wille zur Auseinandersetzung Mangelware: Uraufführung genügt, Pflicht vollbracht.

Diese Gedanken müssen einem beim Hören der 3. Sinfonie von Wilfried Krätzschmar kommen, denn dieses Werk erlebte am Sonntag, 22 Jahre nach der Uraufführung in Berlin,seine fällige Dresdner Erstaufführung, den 70. Geburtstag seines Schöpfers würdigend. Es ist keine Übertreibung zu konstatieren, dass diese Komposition in ihrer Wucht und Vehemenz der Aussage längst einmal und wiederholt zu Gehör hätte gebracht werden müssen. Nicht nur bricht Wilfried Krätzschmar die Traditionen der Sinfonie hier erfrischend auf und deutet sie neu, er zieht den ganzen Ballast einer Musikerfahrung einer erdrückenden wie volltönenden Musikhistorie auch noch im Stück mit – das hat maximal Vorbilder in der ebenso handstreichartigen Musik eines Alfred Schnittke oder Bernd Alois Zimmermann.

Der Strudel indes ist nötig, um neue Türen zu öffnen: hier sind es Adagio-Ideen, die sich in aller Ruhe ihren Weg bahnen, ist es ein verstimmtes Klavier, das einen modernen Leiermann in seiner ganzen Einsamkeit mimt. Und das Ganze hervorragend gespielt von Musikstudenten, die Krätzschmar, dem früheren Rektor der Hochschule, auf diesem fast musiktheatralischen Weg mit Hingabe folgen. Ekkehard Klemm ist die Wiedererweckung des Werkes zu danken, das viel Nachdenklichkeit hinterließ. Zuvor hatte Klemm als amtierender Rektor sowohl den neuen Hochschulrat berufen als auch zwei Professuren – an Christiane Bach-Röhr (Gesang) und Hendrik Gläßer (Schlagzeug) verliehen. Kontrastreich ging es nach der Krätzschmaraufführung weiter – Béla Bartóks Violakonzert ist ein verklärtes Spätwerk, bei dem viel Sinn für Zwischentöne entstehen muss. Es war bei der Solistin Hui Ma (Klasse Pauline Sachse) zwar in technisch versierten Händen, dennoch war die Interpretation nicht durchweg befriedigend – einige Unsicherheiten der Solistin waren ebenso zu beobachten wie eine nicht intensiv genug gestaltete Faktur der drei Sätze.

In puncto Intensität und vor allem Spielfreude gab es aber nach der Pause jede Menge Erfreuliches zu berichten: dass Franz Schuberts „Große“ Sinfonie eigentlich genug Material für mehrere Sinfonien bietet und genüsslich die Formen nicht nur exerziert sondern auch beständig hinterfragt, machte Klemm mit seinem Hochschulorchester in einer lebendigen, pointierten Lesart deutlich. Bläser und Streicher gingen da begeistert mit und motivierten sich auch gegenseitig zu einer Höchstleistung, die sowohl harte Arbeit einschloss als auch jede Menge musikalischen Genuss beim Spielen, der sicht- und hörbar wurde.

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