Katz und Maus mit neuen Instrumenten
Kontraforte, Lupophon und eine Musikfabrik-Performance in Hellerau
Neue Instrumente und ihre Klangwelten standen vor allem am Dienstag und Mittwoch in Konzerten beim „Tonlagen“-Festival in Hellerau im Mittelpunkt. Darüber hinaus tönt aber das ganze Festspielhaus mit Instrumenten-Installationen etwa von Jan Heinke oder Hans van Koolwijk.
Dabei spielen nicht nur Kunstobjekte ein Rolle, sondern es wurden auch Instrumente vorgestellt, die im klassischen Musikleben ganz normal integriert werden sollen. So etwa Lupophon und Kontraforte, beides Instrumente, die ihre Familie im tiefen Klangregister ergänzen: das Lupophon ist eine sonore, warm klingende Bassoboe, das Kontraforte eine Weiterentwicklung des Kontrafagotts. Beide Instrumente wurden vom Instrumentenbauer Wolf in Kronach in enger Zusammenarbeit mit Musikern gebaut – das Kontraforte findet schon Eingang in die Sinfonieorchester, während das Lupophon eher in Spezialensembles für Neue Musik zu finden ist, hier sind auch die Komponisten gefragt, solche Oboenbasspartien als Klangfarbe zu verwenden.
Insofern war das Konzert am Dienstag in Kooperation mit dem Sächsischen Musikbund mit Élise Jacoberger (Kontraforte) und Martin Bliggenstorfer (Lupophon) nicht nur eine schöne Gelegenheit für die Zuhörer, die „neuen Tiefklänge“ einmal im Kammermusikkonzert zu entdecken, sondern gleich acht junge Komponisten der hiesigen Hochschulen durften sich damit schöpferisch beschäftigen. Weil deswegen nur recht kurze Stücke heraussprangen, sich der Komponist also nicht nur am neuen Instrument, sondern auch an der schwierigen Form der Miniatur oder Studie abarbeiten musste, blieben manche der Kompositionen beinahe schon im Ansatz stecken. Interessanterweise erfahren die neuen Instrumente ja keine jahrhundertelange, behutsame Erweiterung der Spieltechniken, sondern die zeitgenössischen Komponisten stürzten sich sogleich auf Geräusch-, Luft- und Spektralklänge. Am Ende kam so eher ein klingender Katalog heraus. Nur wenige Komponisten wie Ji Youn Doo oder Faida Chafta-Douka spielten wirklich mit Ton-Artikulationen oder verfolgten eine einmal gefundene Idee konsequent weiter, wie etwa Jacques Zafra mit seinen saftigen Spektralklängen in „Übergestern“. Tobias Eduard Schicks Versuch einer Evolution der Klänge zu Beginn war zwar eine überzeugende Idee, das versuchten dann aber zu viele der folgenden Komponisten ebenfalls. Unbedingt zu loben ist die Intensität und Sorgfalt, mit der beide Musiker sich den neuen Stücken widmeten und fast schon liebevoll die Multiphonics und Schwebeklänge untersuchten. Erfreulich ist ebenfalls zu vermelden, dass sich für diese neuen Klänge ein großes, das Ganze aufmerksam verfolgendes Publikum einfand.
Das war auch am Mittwoch der Fall, wo allerdings der Bekanntheitsgrad des Ensembles Musikfabrik in Verbindung mit der Thematik von Comic und Film für Zuspruch gesorgt haben dürfte. Auch Katzenliebhaber dürften sich wohlgefühlt haben in der einzigartigen Performance – ging es doch um „Krazy Kat“ – den legendären Comic des Amerikaners George Herriman, der in 3000 Variationen zwischen 1913 und 1944 die Geschichten der in den Mäuserich Ignatz verliebten Katze zeichnete – als Amorpfeil diente immer ein nach der Katze geworfener Stein. Das klingt nach einre simplen Story, doch Herriman stattete den Comic mit anarchischen und surrealen Elementen aus; Hintergrundsetting und Sprechblasen künden von einem experimentellen, avantgardistischen Zugang. In einer Filmdoku bekamen die Zuhörer zunächst die Geschichte des Comics und seines Schöpfers erzählt, dann ging es in den großen Saal des Festspielhauses, wo die Musikfabrik ein Gesamtkunstwerk als Tribut an „Krazy Kat“ schuf.
Der englische Trickfilmkünstler Paul Barritt kreierte aus dem Comic elf neue Animationsfilme, ein Bühnenbild verband sich märchenhaft mit Ensemble und Leinwand und die Musiker waren singend, spielend und szenisch in die Geschichten eingebunden. Dafür eignete sich auch die Integration der Musik und der Instrumente des amerikanischen Klangtüftlers Harry Partch ideal – Schlagzeuger Matthias Meixner hatte für ein eigenes Partch-Projekt der Musikfabrik die großdimensionierten, faszinierenden Instrumente (etwa eine Bassmarimba, Flaschengongs oder „stehende Gitarren“) nachgebaut – sie kamen jüngst beim Edinburgh Festival erstmalig zum Einsatz. Für die Hellerauer Performance wurden Partchs „Eleven Intrusions“ integriert, elf Miniaturen für Stimme und – außergewöhnlich klingende – Instrumente, in der Indianermusiken, griechische Skalen und vor allem fremd und neuartig anmutende Klangfarben zu hören waren, die man nur assoziativ etwa mit dem asiatischen Raum aufgrund ihres Obertonspektrums zu verbinden mag. David Lang und Oscar Bettison steuerten weitere Kompositionen („Hammerspace“ bzw. „Animate Objects“) zu dem Krazy-Kat-Erlebnis bei, ersterer mit minimalistischen, meist instrumental kammermusikalisch besetzten Klangbildern, letzterer mit das Stück umrahmenden, flächig-volltönenden Kompositionen, die sich wunderbar mit dem sich in geometrisch-fraktale Bilder auflösenden Comic verbanden. In der filmischen Umsetzung gab es eine neue Dimension: weniger waren da lustige kurze Strips zu sehen als vielmehr Katzen und Mäuse, die nach der Weltherrschaft griffen und am Ende sogar auf dem elektrischen Stuhl gerichtet wurden – damit wurden die Cartoons mit aktuellen Botschaften und Gesellschaftskritik aufgeladen, was allerdings gerade auf der visuellen Ebene zu stark inszeniert war.
Trotzdem ergaben alle Elemente ein großes Ganzes, man konnte zwischen Schauen, Hören, Staunen und Reflektieren perfekt hin und her „switchen“ – am Ende stand auch die Erkenntnis, dass nicht eine Wiedererweckung oder Kopie der Herriman-Kunst erreicht werden sollte, sondern eine sinnlich-phantasievolle Neuschöpfung, die von ihren Erfindern vor allem musikalisch sehr eindrucksvoll umgesetzt wurde.
(23.10.)
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