Strawinsky, Pärt und Adams im Philharmonie-Konzert
Das 5. Abendkonzert in der Dresdner Philharmonie am Sonnabend war in jeder Hinsicht außergewöhnlich, denn es standen drei sehr anspruchsvolle Werke auf dem Programm, die verschiedene musikalische Strömungen des 20. Jahrhunderts beleuchteten – keinesfalls gängiges Repertoire und faszinierend in der Zusammenstellung. Der Titel des Hauptwerkes, „Harmonielehre“ des US-Amerikaners John Adams, wäre auch als Motto gut geeignet gewesen, denn der kreative Umgang mit Klangverbindungen in der Horizontale der Musik zeichnete alle Stücke aus, wenngleich diese sehr unterschiedlich wirkten.
Für Strawinsky, Pärt und Adams war mit Dennis Russell Davies ein Experte für diese Klangwelten eingeladen worden – nimmt man die Zugabe und den kammermusikalischen Epilog hinzu, gelang ein sehr intensiver Einblick in die Welt der „Minimal Music“. Igor Strawinskys „Sinfonien für Bläser“ (1947) standen beziehungsreich am Beginn des Programms, man kann dem leicht unterkühlt wirkenden Bläsersatz durchaus unterstellen, dass die hier angewendete blockhafte Montagetechnik ein Vorbild für spätere Minimal-Experimente war. Das kurze Stück wurde von den Bläsern der Philharmonie prägnant und mit klangsinnigem Choralschluss interpretiert, sodann gingen die Philharmoniker zu Arvo Pärts 2003 entstandenem „Lamentate“ für Klavier und Orchester über.
Schade, dass Pärts Inspirationsquelle, die monumentale Skulptur „Marsyas“ von Anish Kapoor, nicht wenigstens im Programmheft abgebildet war. Beim Zuhören konnte man sich zudem vorstellen, wie der Raum und die Musik gewirkt hätte, würde „Marsyas“ im großen Lichthof des Albertinums über den Zuschauern schweben – hineinpassen würde die 150 Meter lange Skulptur wohl eher nicht. Dennis Russell Davies mit dem Orchester und die japanische Pianistin Maki Namekawa fanden im Laufe des „Lamentate“ immer besser zusammen, wenngleich gerade die forte-Passagen etwa des „Spietato“ mit säulenartigen Akkorden schwer in der Akustik umzusetzen waren. Doch nach und nach standen die Töne gleichsam beziehungslos und geschliffen im Raum; es breitete sich die bekannt ruhige Atmosphäre aus, die Pärts Musik zu eigen ist und die dennoch Raum läßt für die „Bilder im Kopf“.
Maki Namekawa, die Pärt gut artikulierend interpretierte, gab eine Klavier-Etüde von Philip Glass als Zugabe – damit wurde auch ein guter Übergang zu John Adams geschaffen. Dessen 40-minütiges Orchesterwerk „Harmonielehre“ (der Titel bezieht sich auf Arnold Schönbergs gleichnamiges Lehrwerk) aus dem Jahr 1985 war für den Komponisten ein künstlerischer Befreiungsakt, eine Art komponierte Katharsis. Wer sich diese Partitur auf’s Pult legt, sollte wissen was er tut: in riesigen, rhythmisch höchst vertrackten Wellen rollen da entfesselte Klänge auf den Zuhörer zu, und wer dachte, der Stil des Minimalism würde lediglich Reduktion und Wiederholung bedeuten, irrte.
Komplex und mit einer gewaltigen inneren Kraft gibt sich die „Harmonielehre“; die Interpretation war für die Philharmoniker eine große Herausforderung, die aber unter Dennis Russell Davies erfahrenen, die übereinandergelegten Rhythmen klar ordnenden Händen zu einem grandiosen Spektakel geriet, bei dem man von dem vor allem im letzten Satz in den vom Dirigenten gut organisierten Klangsog mitgezogen wurde. Zuhörer wie Musiker mussten nach den letzten in den Lichthof katapultierten Akkorden erst einmal durchatmen, großer Applaus folgte und sodann gab es zum Ausklang eine ebenso schwindelig machende Hörerfahrung mit John Adams „Hallelujah Junction“ (1996), die Dennis Russell Davies und Maki Namekawa mit sichtlicher Freude an zwei Flügeln darboten.
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