Kammermusik-Porträt von Sofia Gubaidulina an der Musikhochschule
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit im Verbund „KlangNetz Dresden“ ermöglichte es, dass jedes Jahr der aktuelle Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle auch an der Hochschule für Musik zu Gast ist.
Sofia Gubaidulina hat die Residenz in diesem Jahr inne und die Aktivitäten in Dresden bescherten der 83-jährigen Komponisten einen vollen Terminkalender. Für die Studenten an der Hochschule ist diese Präsenz der Komponisten von großem Wert. So liegt nicht nur schweigendes Papier auf dem Notenpult, sondern die Schöpferin des Werkes trägt mit ihren Worten zum Verständnis und zur Interpretation bei.
Gleich zwei Kammermusikkonzerte stellte die Hochschule auf die Beine, und es war gut, dass man die sechs Stücke auf zwei Konzerte verteilte, so bekamen die Abende einen intimen, konzentrierten Charakter. Keineswegs handelt es sich bei der Kammermusik der russischen Komponistin um leichte Spielstücke, die sich zu jeder Gelegenheit einflechten lassen. Oftmals verrät schon die erste Partiturseite die Unabdingbarkeit künstlerischen Tuns: lasse Dich darauf ein, oder lege die Noten besser weg. Die Studenten entschlossen sich für die erste Variante und erschlossen sich damit einen Musik-Raum, der sicherlich einiges an Arbeit erfordert hat, mit dem sie – das zeigten die glücklichen Gesicher nach dem ersten Abend – aber auch wichtige Erkenntnisse gewonnen hatten.
Denn Gubaidulinas Musik bedient nicht nur eine einzelne Empfindung, sie geht nicht den geraden Weg und hinterläßt auch nach den letzten verklingenden Tönen oftmals einen Raum, in dem Weiterdenken und Fragenstellen möglich ist. Um richtige und falsche Töne ging es in den Proben weniger, verriet Gubaidulina im Gespräch mit Jörn Peter Hiekel, sondern mehr darum, mit einer bewussten Haltung die Intensität des Spiels zu entwickeln.
Auch für die Komponistin war die Begegnung mit den Studenten höchst reizvoll, den diese gäben ihre jugendliche Energie in die Stücke ein, etwas Neues entsteht. Im erst 2013 in Gohrisch uraufgeührten „So sei es“ für Violine, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug entsteht diese aus behutsamen Dialogen und nebeneinander stehenden Kontrasten, fast möchte man von These und Antithese sprechen. Shuo Zang, Marc Schönfeld, Peter Naryshkin, Bartosz Marciniak gelang eine klangschöne Aufführung, Tomas Westbrooke dirigierte und hatte auch die Einstudierungen der Werke übernommen.
Während dieses neuere Werk einen lichteren Charakter aufwies, wirkten die anderen beiden Stücke zerklüfteter: im 1977 entstandenen Quartett für vier Flöten (mit tollem Zusammenspiel: Kristyna Landová, Victoria Romann, Julia Hebecker und Sophie Moutte) gibt es zwar viele melodiöse Passagen, doch die Verstrickung der vier gleichen Instrumente im Tonraum barg immer wieder dramatisches Potenzial und führte zu farbigster Entfaltung.
Absolut großartig war die Interpretation von „Freue Dich“ (1981), einer fünfsätzigen Sonate für Violine und Cello. Goumang Heng und Sofia von Freydorf nahmen das Abenteuer an, hier Grenzen von Klangwelten und ihrer traditionellen Bedeutungen zu überschreiten und das Dahinterliegende für sich selbst zu entdecken, so dass sich immer mehr eine frei schwingende, künstlerische Rede entfaltete, die auch über große Klippen hinweg atmen konnte. Man durfte als Zuhörer in diesem intimen und intensiven Rahmen dankbar sein, dass man an Gubaidulinas Reise auf der, so die Komponistin, „Suche nach den höchsten Dimensionen des Lebens“, der wohl dankbarsten Aufgabe eines Künstlers, teilhaben konnte.
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