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Höhenflug der ernsthaften Art

Arriaga, Ravel und Sibelius mit dem Auryn-Quartett

Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: seit 34 Jahren spielt das in Nordrhein-Westfalen beheimatete Auryn-Quartett in unveränderter Besetzung. Wenn gerade das Thema „Ehe für alle“ in den Schlagzeilen rotiert, könnte dieses Streichquartett sicher eine Menge darüber berichten, wie so etwas über drei Jahrzehnte zu viert funktioniert – selbstverständlich ausschließlich aus musikalischer Sicht, aber aus der Musik heraus kann man ja immer eine Menge für das Leben lernen. Ihre Erfahrungen geben die vier Herren längst an der Detmolder Musikhochschule als Kammermusikprofessoren weiter.

Kenner der Kammermusikszene werden dem Auryn-Quartett ein unverwechselbares Klangbild bescheinigen, das sich in dreißig Jahren kontinuierlich aufgebaut hat und natürlich mit Instrumenten, Charakter und Vorlieben der einzelnen Mitglieder zu tun hat, zudem verfügt das Auryn-Quartett über ein grenzenloses Repertoire vom Barock bis zur Gegenwart. Eine Demonstration dieser reifen Spielkultur durfte das Publikum der Musikfestspiele am Donnerstagabend im Palais im Großen Garten erleben – im Programm begab man sich auf eine musikalische Reise von Spanien über Frankreich nach Finnland.

Als Geheimtipp gilt der baskische Komponist Juan Crisóstomo de Arriaga (1806-1826), dessen hoffnungsvolles Schaffen mit einem jähen Tod sein Ende fand. Sein 3. Streichquartett Es-Dur bedient die klassische Form, bezieht aber auch romantisches Empfinden ein, das deutlich auf Schubert weist und besonders in einem Pastoral-Satz eine naturalistische, fast sinfonische Dichtung im Quartett entfaltet. Plastisch gelang dies dem Auryn-Quartett, wenngleich in schnellen Werten hier noch etwas Nervosität zu bemerken war und manche Motivarbeit erst im zweiten oder dritten Anlauf homogene Klarheit erhielt, dann aber war durchweg die „gemeinsame Sache“ ein Stilmerkmal, das sich durch alle Werke des Konzertes zog.

Ein Klassiker ist das (einzige) Streichquartett von Maurice Ravel vor allem in seiner einzigartigen Sprache – der großen Kammermusiktradition wird hier mit leichtem, weichen Bleistift begegnet. Fulminant gelang vor allem der letzte Satz mit dichtem, spritzigen Streicherklang. Den Esprit hatte man allerdings vorher vermisst, das helle Leuchten dieses Werkes wollte in der oft geradlinigen Lesart nicht zur Erweckung gelangen. Man wurde das Gefühl nicht los, dass die Musiker mit großer Kompetenz herangingen, der Pegel der Sinnlichkeit aber noch größer hätte ausschlagen dürfen. Nach der Pause stand mit Jean Sibelius viertem Streichquartett „Voces Intimae“ ein großes, vornehmlich düster-grüblerisches Werk auf dem Programm, das trotz eines virtuos wirbelnden Finales eine Hoffnungslosigkeit hinterläßt, die vor allem aus der Erfahrung des Adagios herrührt, das einige Male an den Grundfesten der Welt zu zweifeln scheint.

Hier entwickelten Matthias Lingenfelder, Jens Oppermann, Steward Eaton und Andreas Arndt einen Höhenflug der ernsthaften Art. Sie zeichneten die nahezu festgebissenen Noten mit erschreckender Lapidarität nach – was ein überzeugender Interpretationsansatz war – und setzten dem Werk keinen falschen Romantizismus auf. Selbst das Scherzo und das Allegretto bekamen so einen fahlen, nachdenklichen Anstrich. Um die für diese großartige Leistung stark applaudierenden Zuhörer versöhnlich zu entlassen, spielte das Auryn-Quartett noch einen der schönsten Sätze eines Mozart-Quartetts überhaupt: das Andante Cantabile aus dem „Dissonanzen-Quartett“. Wunderbar gelangen den Musikern hier die gesanglichen Linien und das Empfinden für die natürliche Länge der Harmonien. Und die Welt war wieder in Ordnung.

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