Beethoven und Mahler mit Myung-Whun Chung im Kapellkonzert
Der erste Gastdirigent der Sächsischen Staatskapelle, Myung-Whun Chung setzte am Sonntag im 10. Sinfoniekonzert seinen Mahler-Zyklus fort, der über mehrere Spielzeiten verteilt alle Sinfonien des Komponisten vorstellen wird. Gustav Mahlers 4. Sinfonie G-Dur stellte er die 2. Sinfonie D-Dur von Ludwig van Beethoven gegenüber. Beiden Sinfonien gemeinsam ist, dass sie je zu ihrer Zeit experimentelle Felder beschritten, was aus der heutigen Distanz und in der Gegenüberstellung beider Werke besonders deutlich wird. Schwieriger fällt in der Deutung der Umgang mit Konnotationen, die beiden Werken anhaften, aber nur zu einem gewissen Grad in Aufführungen bestätigt werden.
Sicher ist, dass beider Komponisten Denk- und Musikwelten zu komplex sind, als dass man diese angesichts eines Werkes mit einem rundum beschreibenden Adjektiv fassen könnte – Beethovens 2. Sinfonie ist eben nicht ausschließlich heiter und Mahlers Vierte scheint ein ums andere Mal ein merkwürdiger Tanz vor dem Abgrund zu sein. Der Konzertvormittag erhielt insgesamt einen leichten und lyrischen Gesamtklang und dies war der bekannt unprätentiösen Leitung von Myung-Whun Chung zu verdanken. Klare Tempi und unaufdringliche Gesten formten die Beethoven-Charaktere zwischen selbstbewusstem Vorwärtsdrang im 1. Satz und einer klassisch-selbstverständlichen Art in den folgenden Sätzen. Vielleicht gelangen da einige Passagen zu leicht, zu unbekümmert im natürlich kompetenten Beethoven-Klangbild der Kapelle, wirklich nachhaltig ins Ohr grub sich die Aufführung nicht.
Extreme Gangarten oder klangliche Hingucker sind bei Chung rar, dennoch wissen die Kapellisten, dass auch dessen in Hüfthöhe geballte Faust eine Reaktion erzeugen muss. Erfreuen durfte man sich in der Beethoven-Sinfonie vor allem am runden Bläserklang, bei den Ersten Violinen musste man sich hingegen über Inhomogenität und einen eher obertonarmen Klang wundern. Das verbesserte sich in der größer besetzten Mahler-Sinfonie etwas, kleine Unschärfen waren aber auch hier zu vernehmen. Chung interpretierte die Sinfonie ganz aus ihrem lyrischen Gestus heraus, neigt aber auch dazu, besondere Wegmarken zu übergehen – so hätte der Höhepunkt des ersten Satzes, aber auch Übergänge des 3. Satzes sicherlich mit mehr Emphase genommen werden können.
Stark wirkte diese Aufführung vor allem, wenn in der Partitur Ruhe einkehrte. Dass Chung viel Ausgestaltung den Spielern überließ, bedeutete aber an diesem Morgen in einigen Passagen eine nicht von der Hand zu weisende Harmlosigkeit, die in dieser Sinfonie bei aller Kammermusikalikät und sanftem Empfinden eben nicht entstehen sollte – die Musiker nahmen diese Freiheit, die sie vom Pult vermittelt bekamen, durchaus unterschiedlich, aber zumeist mit viel Vorsicht auf. Ausgenommen davon sind die zahlreichen Solopassagen in Oboe, Horn und Violine, die im jeweiligen Charakter sehr ausdrucksvoll gelangen. Die belgische Sopranistin Sophie Karthäuser, die schon vor einem Monat bei der Kapell-Uraufführung von Sofia Gubaidulina mitgewirkt hatte, sorgte für einen wunderbaren und tröstlichen Ausgang der Sinfonie. Ihre natürliche Stimmgebung sorgte dafür, dass der Lied-Charakter stets gewahrt blieb und die Kapelle hier ihre luftigsten Momente hatte – da konnte man am Ende fast bedauern, dass die „himmlischen Freuden“ nur in fünf Strophen entfaltet wurden.
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