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Darf der das?

Klavierabend von Olli Mustonen bei den Dresdner Musikfestspielen

Wenn man den Finnen Olli Mustonen zu einem Konzert einlädt, lohnt es sich, ihn erstmal zu fragen, in welcher ausübender musikalischer Profession er sich dem Publikum vorstellen will – aktiv ist er als Dirigent, Pianist und Komponist. In Dresden konnte man sich bereits beim Moritzburg Festival von seinem Können überzeugen. Bei den Musikfestspielen gab er am Freitag ein Klavierrecital, bei welchem er auch eine eigene Klaviersonate vorstellte. Ohnehin verspricht ein komponierender Interpret meist interessante Interpretationen, weil der Blick des Tonsetzers auch bei fremder Literatur nie ganz abschaltbar ist. Diese Haltung schuf wohl die außergewöhnliche Energie dieses Klavierabends, bei dem man sich einige Male des soeben Gehörten vergewissern musste: darf der das? Geht das denn überhaupt? Nicht alle dieser Fragen und Irritationen konnten aufgeklärt werden.

Zunächst widmete sich Olli Mustonen dem „Kinderalbum“ von Peter Tschaikowsky – sicherlich ein Werk, das jedem Klavierschüler schon einmal begegnet ist; seltener werden die vierundzwanzig Stücke in Gänze aufgeführt. Mustonen ging mit dem Seziermesser zu Werke, traf die Charaktere teilweise so blitzscharf, dass die Puppengeschichte als Scherenschnitt vor dem Ohr entstand. Reiter und Volkstänzer waren schneller um die Ecke verschwunden, als sie aufgetreten waren und die Lerche bekam ein stählernes Korsett. Das war extravagant und bisweilen weit über die Noten hinaus interpretiert: Mustonen öffnete hier seine eigene Märchenkiste und spielte auf seine Weise mit den Figuren, selten versonnen, manches mal ruppig.

Mit Tschaikowsky führte dies zu einem Aha-Effekt, bei den sechs folgenden Chopin-Mazurken war dann aber mit ähnlich hartem Anschlag eine Grenze überschritten. Punktierungen gerieten hier so scharf, dass der von Chopin meisterlich behandelte Tanzcharakter derb wirkte – diese im Ausdruck nah an der Verzweiflung angelegte „finnische Mazurka“ war zwar sicher ein einzigartiges Hörerlebnis, mit Chopin hatte sie nur wenig am Hut. In der zweiten Konzerthälfte hatte Mustonen pianistisch üppigere Werke ausgewählt, in welchen er auch viel virtuoses Spiel zeigen konnte und – weiterhin – extremen Ausdruckswillen nachging.

Nun aber fanden Werk und Interpretation glücklicher zueinander, zunächst in Mustonens eigener Klaviersonate „Jehkin Iivana“, die mythischen finnischen Geschichten und dem finnischen Nationalinstrument, der Kantele, ein musikalisches Denkmal setzt – hier konnte man wunderschön ausgespielte Klangwelten verfolgen, die Mustonen mal volkstümlich, mal vollgriffig-sinfonisch in Töne gesetzt hatte. Mit Sergej Prokofjews 7. Klaviersonate stand dann zum Abschluss ein gewaltiges und durchaus auch gewalttätiges Stück aus den Jahren des 2. Weltkrieges auf dem Programm, dem Mustonen kompromisslos begegnete – im leisen wie lautem Extrem. Dadurch geriet besonders der langsamere zweite Satz mit seinem irrwitzigen Walzer zu einer Art visionärem Horror, den dritten spielte Mustonen in einem Rutsch und verausgabte sich dabei völlig. Einen solchen Klavierabend erlebt man nicht alle Tage.
(8.6.15)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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