Das Deutsche Komponistenarchiv in Hellerau wird zehn Jahre alt
„Meine Zeit wird kommen.“ formulierte Gustav Mahler einst und er hatte Recht behalten. Ob sich Mahler beim Verfassen dieses Satzes in einem Brief an seine Frau Alma darüber Gedanken gemacht hat, was mit seinen vielen Noten und Skizzen, Briefen und Entwürfen einst geschehen wird? Er dürfte Glück gehabt haben – das Zusammenspiel von Verlagen, Archiven und Bibliotheken ermöglicht heute den tiefen Einblick in sein Musikdenken. Doch nicht jeder Fall ist so einfach: oft landen Nachlässe auf Dachböden, hat sich der Komponist selbst gar nicht zu Lebzeiten um seine kiloschweren Partituren gekümmert und eine Aufbereitung fällt erst recht schwer, wenn Rechte, Erben und ein in alle Welt verstreutes Material zu berücksichtigen sind.
Den Handlungsbedarf für die Gründung eines Deutschen Musikarchives sah Komponist Harald Banter, Mitglied des GEMA-Aufsichtsrates, als er selbst Materialien seines Freundes Georg Haentzschel, einem der großen Komponisten im UFA-Filmgeschäft in den 30er- und 40er-Jahren, erhielt. Es sollte ein Archiv entstehen, das allen bedeutenden deutschen Komponisten offensteht, gleich in welchem Genre sie tätig waren oder sind. Das Deutsche Komponistenarchiv wurde 2005 mit Förderung der GEMA-Stiftung gegründet – und befindet sich in institutionell fester Eingliederung im Europäischen Zentrum der Künste Hellerau in Dresden. Wenn jetzt das zehnjährige Bestehen gefeiert wird, ist der Blick auf die vergangene Zeit relativ zu sehen, denn ein solches Archiv, das in der Bewahrung der Komponistennachlässe sozusagen eine Art musikalisches Gedächtnis bildet, hat natürlich immer die Ewigkeit im Blick.
Danach richtet sich auch die professionelle Ausrichtung, die in Hellerau verfolgt wird, denn die Handschriften und Noten sollen natürlich auch in ferner Zukunft noch verfügbar sein. Um die Aufnahme, Archivierung und Pflege kümmert sich die Leiterin des Archivs, Julia Landsberg. Vor Ort nimmt sie Wünsche der Einsicht in die Manuskripte, Tonträger, Rezensionen und Korrespondenzen entgegen – es stehen auch kontinuierlich zu übergebende, künftige Nachlässe auf der Warteliste. Das Interesse wiederum wächst mit der Bedeutung des Archivs, das aber schon jetzt wichtige Anlaufadresse für Musikwissenschaftler, Biografen oder Dirigenten ist: Nachlässe von über 30 Komponisten lagern im Archiv, darunter Filmmusikkomponisten wie Hans-Martin Majewski („Menschen im Hotel“) oder Rolf Alexander Wilhelm, der die Musik zu Filmen von Loriot schrieb. Der erst kürzlich verstorbene, im Osten berühmte Musical-Komponist Gerd Natschinski übereignete seine Kompositionen dem Archiv ebenso wie der Geiger Helmut Zacharias oder die Komponisten Ernest Sauter und Karl-Gottfried Brunotte.
Am heutigen Montag wird in Hellerau gefeiert: in der Festveranstaltung zum Zehnjährigen Bestehen wird nicht nur in Beständen gestöbert und die Bedeutung des Archivs gewürdigt, sondern es werden auch Werke von Ernest Sauter, Karl-Gottfried Brunotte, Norbert Schultze und Gerd Natschinski erklingen – so erfüllt das Deutsche Komponistenarchiv an diesem Abend eines seiner wesentlichen Ziele: die Musik zu bewahren, und sie wieder zum Klingen und damit in die Erinnerung zu bringen.
(19.10.2015)
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