Geburtstagskonzert des Dresdner Streichtrios im 2. Kammerabend der Staatskapelle Dresden
Als Musikstudent findet man schnell heraus, wer in seinem Studienjahr gerade ähnlich „tickt“ und wer am Notenpult nebenan der musikalisch interessanteste Partner ist – daraus bilden sich oft vielversprechende Kammermusikformationen. Zu oft verstreut man sich jedoch dann in alle Winde, hat der Zauber des Beginns selten Bestand. Ob die drei jungen Musiker des Dresdner Streichtrios sich bei den ersten Konzerten 1995 vorgestellt haben, wie es wohl in 20 Jahren sein wird? Jörg Faßmann (Violine), Sebastian Herberg (Viola) und Michael Pfaender (Cello), schon 1995 in Solistenpositionen bei der Staatskapelle Dresden und beim MDR Sinfonieorchester tätig, hatten damals die Idee, die Gattung des Streichtrios mit ihrem gemeinsamen Spiel wiederzubeleben – und sie hatten einen langen und inspirativen Atem, der bis heute und hoffentlich noch weitere Jahre reicht.
So bildete das 2. Kammerkonzert der Staatskapelle Dresden einen würdigen Rahmen für das Geburtstagskonzert des Dresdner Streichtrios, mit dem die Musiker sich und die Zuhörer beschenkten. Statt einem opulent-partywürdigem Spektakel standen lediglich zwei Werke von Alfred Schnittke und Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Programm, die aber sinnbildlich für den Charakter des Ensembles stehen und jedes für sich ohne Zweifel meisterlich zu nennen sind. Zwar war der Bezug auch gerade in Schnittkes 1985 entstandenen Streichtrio durch die Verarbeitung der Melodie von „Happy Birthday“ gegeben, aber eine tiefgründigere, zuweilen auch dramatischere Würdigung eines Geburtstages ist kaum denkbar, ist doch dieses Werk in seiner Zerrissenheit zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen Persönlichkeit und etwas, was als „common sense“ vielleicht kulturelles Gemeingut darstellt, ein Dokument einer auch verzweifelten Suche nach Identität.
Das Dresdner Streichtrio brach hier mit den ersten Tönen eine Distanz zum Werk auf, schaffte es gar, dass man den großen Raum der Semperoper für Momente vergaß, weil man über die fragilen Linien sehr nah an den Kern der Musik vorgelassen wurde. So konnte sich sowohl die schubertsche Verlorenheit des 2. Satzes entfalten wie auch die plötzlichen, ebenso herausbrechenden wie versiegenden Höhepunkte: kurze Eruptionen, die im Brachialwalzer alles vom Tisch fegten, was mühevoll bis zu diesem Punkt erdacht wurde. Diese „Gratulation“, die gleichzeitig ein starkes Statement für die faszinierende Musik des seit seinem Tod 1998 merkwürdigerweise von den Konzertplänen fast verschwundenen Schnittke war, beeindruckte sehr und hinterließ Interpreten wie Zuhörer bewegt in die Pause.
Dass auch monetäre Spannungszustände bei Künstlern oftmals besondere Werke hervorriefen, dafür gibt das Divertimento Es-Dur KV 563 von Wolfgang Amadeus Mozart ein Beispiel. Es ist ein Gipfelpunkt seiner Kammermusik, in welchem der Komponist in allen sechs Sätzen Reife und Persönlichkeit, aber eben auch die Fähigkeit zu genussvoller Unterhaltung demonstrierte – um letztlich seine Gönner zu überzeugen. Wenn bei Schnittke die Reife der Interpretation im stetigen Nachvollzug der zerklüfteten Partitur bestand, war es hier die ausufernde, aber niemals ins Parlieren geratende Leichtigkeit der Musik – mit deutlichem Schwerpunkt etwa auf den mit kaum Vibrato etwas entrückt vorgetragenen Moll-Variation des Andante oder der Dur-Spielfreudigkeit der Ecksätze.
Die besondere Klanglichkeit des Dresdner Streichtrios war an diesem Abend viel mehr als die Summe des individuellen Könnens – das Aufgehen in der gemeinsamen Sache erzeugt schlicht einmalige musikalische Erlebnisse. Statt Blumen gab es am Ende Johann Sebastian Bach – die Aria aus den „Goldberg-Variationen“ war als Zugabe ein überaus klangschöner, beruhigender Ausklang.
(3.11.2015)
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