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Aufregendes Debüt

Die italienische Pianistin Beatrice Rana gastierte bei der Dresdner Philharmonie

Verdient macht sich die Dresdner Philharmonie, wenn sie nicht nur Bekanntes und Bewährtes programmiert, sondern auch nicht entdeckten Werken oder jungen Künstlern ein Podium anbietet. Gleichzeitig kann uns als Zuhörer ein junges Talent vermitteln, wie zeitlos große Musik erscheinen kann. Mit eigener, noch junger Lebenserfahrung und frischen Sichtweisen versehen werden die Werke neu beleuchtet, erweitert sich der eigene Hörhorizont. Auf eine solche Entdeckungsreise gehen konnte, wer am Wochenende die Dresdner Philharmonie im Schauspielhaus besuchte.

Der große britische Cembalist und Dirigent Trevor Pinnock leitete das Orchester und hatte die 22-jährige italienische Pianistin Beatrice Rana mitgebracht, die bereits beim hochangesehenen „Van Cliburn Wettbewerb“ Preise erhielt und weltweit zu Konzerten eingeladen wird. Nun ist das 1. Klavierkonzert e-Moll, Opus 21 von Frédéric Chopin sicherlich ein für junge Pianisten in seiner offen daliegenden Virtuosität dankbares Konzert, weitaus schwieriger ist es, die darunterliegende Empfindung zu treffen und der Versuchung zu widerstehen, es lediglich als Soloprélude mit Orchesterbegleitung zu verstehen. Nach der von Pinnock außerordentlich differenziert angelegten Orchestereinleitung wurde bereits mit dem ersten Akkord von Beatrice Rana klar, dass Überlegung, Können und Sinnlichkeit bei dieser Aufführung eine selten zu erlebende Liaison eingehen würden.

Rana gestaltete ihre Solopassagen mit einer tollen körperlichen Erdung, aus der heraus sie perlende Brillanz und einen noblen, nuancenreichen Anschlag entwickelte, was Chopin nahezu vergoldete, ihn aber nicht als bloß abzustaubendes Denkmal hinstellte. Selbstbewusstsein und Sicherheit waren hier Grundlage, nicht Äußerlichkeit. So entstanden in den Ecksätzen wunderbare Bögen, hatte die Romanze im Zentrum gerade genau das Quentchen Melancholie, das eben nicht in schweißtreibendes Pathos umschlägt, und war umgekehrt die Fröhlichkeit im dritten Satz nicht exaltiert, sondern von Esprit bestimmt. Mit einem Satz: Beatrice Rana ist eine aus dem Gros vieler guter, junger Pianistinnen und Pianisten herausragende Persönlichkeit, die ihren Weg machen wird, denn sie erreicht durch eine schon jetzt deutlich entwickelte eigene Handschrift mühelos tiefe Schichten der Musik. Trevor Pinnock begleitete mit den Philharmonikern dieses im besten Sinne aufregende Spiel der Solistin nicht nur höchst aufmerksam, sondern fand eine eindrucksvolle Balance der Klangverschmelzung.

Das machte großen Appetit auf die so genannte „Große“ Sinfonie C-Dur von Franz Schubert nach der Pause. Und man wurde nicht enttäuscht: Pinnock legte mit unglaublicher Genauigkeit die Stärken dieses Werkes bloß, indem er Verläufe transparent machte, harmonisch und rhythmisch Prägnantes hervorholte und dabei das Ganze auch noch in den historischen Kontext holte: da klang der zweite Satz wirklich nach einem klassischen Marsch, und da war Beethoven nicht immer nur das vielzitierte Vorbild, sondern das Eigene, Unverwechselbare wurde klar herausgearbeitet und erschien plötzlich modern, gar revolutionär.

Die bei Schubert so wichtigen Posaunen sorgten hier etwa für eine warme Grundierung; Phrasierungen und Übergänge blieben bei aller Genauigkeit im musikalisch natürlich schwingenden Charakter. Bei solch einer überragenden Ausgestaltung war faszinierend zu beobachten, wie flexibel alle Orchestergruppen diesen Ideen folgten, und das Ergebnis war ein neuer, schlanker und sehr überzeugender Schubert-Klang.

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