Arthur Honeggers „Jeanne d’Arc au bucher“ halbszenisch bei der Philharmonie im Albertinum
Es gilt als eines der wichtigsten Oratorien des 20. Jahrhunderts und sicher als ein Schlüsselwerk im Schaffen des Schweizer Komponisten Arthur Honegger (1892-1955), der ansonsten eher durch seine Sinfonien und vor allem das Orchesterstück „Pacific 231“ bekannt wurde: das Oratorium „Jeanne d’Arc au bucher“, uraufgeführt 1938 in Basel, behandelt die Geschichte der auch als Jungfrau von Orléans bekannten Nationalheldin Frankreichs, die 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Die halbszenische Aufführung der Dresdner Philharmonie im Albertinum geriet zu einem Höhepunkt der laufenden Konzertsaison, und dies nicht nur wegen des enormen Aufwandes und der Anforderungen, die Honegger an seine Ausführenden stellt.
Ein sehr großes Orchester, mit Klavieren, Ondes Martenot und reichhaltigem Schlagzeug besetzt, malt mit vielfältigen Klangfarben die Geschichte aus, Chöre, Sänger und Sprecher widmen sich in elf Szenen einer Rückschau der bereits an den Pfahl geketteten Jeanne d’Arc. Ihr Lebensweg und ihre persönlichen Erinnerungen werden mit Ereignissen verknüpft, die zu ihrer Verurteilung führten. In Honeggers Musik findet dies – in kongenialer Verbindung mit dem Libretto von Paul Claudel – einen kontrastreichen, dramaturgisch überzeugend angelegten Niederschlag. Impressionistisches wechselt da mit opernhaften Szenen, Liedformen oder dem prozessualem Königsmarsch beim Empfang des Königs in Reims – trotzdem bleibt die Musik Honeggers stark der Tradition verpflichtet.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden realisierte die Dresdner Philharmonie eine halbszenische Aufführung, in der die frontale Konzertsituation wenig aufgebrochen wurde, man aber spätestens ab dem Tierprozess der dritten Szene auch mit den Augen stets dabei war. Dabei hätte allein die Qualität der sängerischen und schauspielerischen Darbietung an diesem Abend schon eine konzertante Version gerechtfertigt.
Allen voran brillierte die Schauspielerin Johanna Wokalek als Jeanne d’Arc; ihre einfühlsame Darstellung vereinte das einfache Mädchen vom Lande mit der kettensprengenden Märtyrin. Ebenso herausragend und mit großer Ruhe gestaltete Franz Grundheber, der für Thomas Quasthoff eingesprungen war, seine Sprechrolle als Bruder Dominik.
Auch alle weiteren Solisten bewältigten ihre Partien mit Bravour, wobei die Szenen des Tiergerichts und des Bauernvolks (vorzüglich agierend: Tom Quaas, Imke Büchel und Herbert Lippert) ihre schon von Honegger in der Musik angelegte Überzeichnung erhielten – dem folgte die Regie von Reto Nickler zumeist behutsam und Moritz Haack (HfBK) hatte für die Protagonisten passende, phantasievolle Kostüme entworfen. Eine große Spannung entstand im Hinblick auf die ernsteren Szenen des Werkes mit Jeannes Trösterinnen Katharina und Margarethe (Guanquan Yu, Sopran und Janina Baechle, Alt). Bertrand de Billy, Erster Gastdirigent der Dresdner Philharmonie, hielt als Spiritus Rector der Aufführung mit zumeist straff geführten Tempi alle Fäden gut in der Hand und konnte so den Spannungsbogen bis in die dramatische Verbrennungsszene am Schluss halten. Genau diese aber erfuhr merkwürdigerweise eine szenische Zurückhaltung, wohl um die Aufmerksamkeit wieder auf die Musik zu lenken. Unbedingt herauszuheben ist die Leistung des Rundfunkchor Berlins (Einstudierung Michael Alber), der seine umfangreiche, tragende Rolle im gesamten Oratorium mit höchster Differenzierung zwischen leisestem Flüstern und vollstem Forte-Ausbruch ausgestaltete – dem stand der Philharmonische Kinderchor (Einstudierung Gunter Berger) mit souveränem, klarem Klang in nichts nach.
Eingedenk der Tradition konzertanter Opernaufführungen der Philharmonie in früheren Zeiten ist dies ein neuer Weg, der in Abhängigkeit von Raum, Werk und Umsetzbarkeit unbedingt weiter beschritten werden sollte, wenngleich hier die akustische wie visuelle Darstellung im Albertinum klar ihre Grenzen hatte und auch die akustische Verstärkung nicht immer befriedigen konnte – spätestens ab der zehnten Reihe unterschieden sich die Eindrücke nach dem Konzert doch stark. Unbestritten bleibt jedoch die Tatsache, einem herausragendem Werk des 20. Jahrhunderts in einer fulminanten musikalischen Interpretation beigewohnt zu haben.
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