Konzert zum 13. Februar der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche
Zum Dresdner Gedenktag am 13. Februar steht ernste Musik auf den Programmen der Orchester, und bei Vokalkonzerten lauscht man zumeist einem Requiem oder einer Messvertonung. Michael Sanderling, Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, hat in den letzten beiden Jahren mit Aufführungen der 8. und 11. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch diese Tradition zwar nicht aufgebrochen, aber sinnfällig um einige Bezüge erweitert – die direkte Nachvollziehbarkeit von Ereignis und Gedenken wurde eingebettet in ein großräumig angelegtes, humanistisches Feld.
Gedanken zum Gedenken – so könnte man auch die durchaus anspruchsvolle Dramaturgie des diesjährigen Konzertprogrammes umschreiben, denn auf den ersten Blick fällt nicht auf, was die Komponisten Samuel Barber, Peteris Vasks oder Herbert Howells mit dem Dresdner Gedenktag verbindet. Offenkundig schien diesmal eine eher lose Verbindung, die auf dem Erzeugen musikalischer Stimmungen beruhte, im Vordergrund zu stehen. Samuel Barbers berühmtes „Adagio“ erzeugt nüchtern betrachtet allein durch seine harmonische Anlage die melancholisch-traurige Emotion. Leider ist dieses Werk schon in seiner Rezeption bekannt dafür, für alle möglichen Gelegenheiten ernster Natur herzuhalten ohne selbst über den Gefühlsfaktor hinaus wirkende, tiefergehende musikalische Aspekte bereitzuhalten.
Von der Orgelempore der Kreuzkirche hinabtönend hatte der Philharmonische Chor unter Leitung von Gunter Berger den Pathos im Zaum und bemühte sich um eine klangschöne Interpretation der Chorfassung des Adagios im recht zügigen Tempo, womit einige Schwierigkeiten des Stückes galant umschifft wurden. Das Hauptwerk des rund eine Stunde währenden Konzertes war das 1939 entstandene Violinkonzert von Benjamin Britten, das selten auf den Podien erklingt, wohl weil es von Solisten einigermaßen gefürchtet ist. Mit einer so souveränen Solistin wie Sophia Jaffé jedoch gelang noch weitaus mehr als die pure Bewältigung des hochvirtuosen und gleichzeitig hochemotionalen Soloparts: sie animierte die Philharmoniker und Michael Sanderling zu rhythmisch pointiertem Spiel und bot eine jederzeit zielgerichtete, atmende Phrasierung an, hier folgte man als Zuhörer gerne der spannungsgeladenen Interpretation.
Ähnlich wie Brittens 3-jährigen USA-Aufenthalt 1939-1942 nicht wirklich als Exil bezeichnen mag, reduzierte sich die Auseinandersetzung mit Herbert Howells Orgelrhapsodie Nr. 3, auf die Information, er habe das Stück „in einer Nacht während des Ersten Weltkrieges in York geschrieben“. Aus der spätromantisch empfundenen Musik sprach kaum existenziell Erfahrbares, das übersichtlich-differenzierte Spiel von Kreuzorganist Holger Gehring gefiel dennoch. Schließlich fand sich der Philharmonische Chor im Altarraum bei den Philharmonikern ein, um abschließend Peteris Vasks „Dona Nobis Pacem“ (1997) zu musizieren.
Es ist wie Barbers Adagio ein in diatonischen Welten reisendes Werk von innigem Gefühl, das (ausschließlich) mit Melos arbeitet, aber in dieser Reduktion der Mittel kaum eine Wirkung erreicht, die man nicht anders schon sehr viel intensiver erlebt hätte – der Hinweis auf Schostakowitschs langsame Sätze sei hier erneut erlaubt. Gunter Berger hatte aber erneut mit einer fließenden, die Homogenität fördernden Lesart großen Anteil daran, dass man gerne zuhören mochte und die Friedensbitte des Werkes letztlich zu einem wichtigen, zeitlosen Dokument wurde, mit dem jeder im Raum persönliche Gedanken, Erinnerungen und Wünsche verband.
(15.2.2016)
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