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Neue Welten, andere Welten.

Rachmaninow und Dvořák im Albertinum-Konzert der Dresdner Philharmonie

Quasi auf der Durchreise konnte man die Dresdner Philharmonie am vergangenen Wochenende im Lichthof im Albertinum erleben – das Orchester befindet sich gerade auf einer kleinen Tour durch Deutschland und hatte bereits Konzerte in den Philharmonien in Berlin und Köln absolviert. Nach dem Gastspiel zu Hause packten die Philharmoniker erneut die Koffer und gastierten am Sonntagabend noch im Gasteig in München. Auf diese Weise bekamen die Konzerte sicher eine andere Atmosphäre als ein übliches, im Probenzentrum am Waldschlößchen vorbereitetes Konzert, und eher ernüchternd-gewohnt dürften die akustischen Begrenzungen des Albertinums nach den Konzerten in Köln und Berlin ausgefallen sein.

Dafür aber war aber der Saal in Dresden zweimal komplett ausverkauft. Das dürfte zum einen am Programm gelegen haben, das ausschließlich spätromantische Klassiker enthielt, zum anderen am Solisten des Abends, Nobuyuki Tsujii. Der 27-jährige japanische Pianist, von Geburt an blind, gewann vor sieben Jahren den hochangesehenen Van Cliburn-Wettbewerb und ist seitdem auf den Bühnen der Welt zu Hause. Mit der Philharmonie erarbeitete er das 3. Klavierkonzert d-Moll von Sergej Rachmaninow, das für viele junge Pianisten einen Markstein in der Karriere bildet. Absolut anzuerkennen ist, welch enorme Leistung die Leidenschaft für die Musik bei Tsujii entfacht.

Als Zuhörer wurde man sofort wach, weil die Sinne sich viel stärker dahin konzentrierten, wo sie ohnehin bei Musik hingehören – zum Hören selbst. Tsujii arbeitet damit ausschließlich und hatte keine Probleme, dem Orchester zu folgen, auch seine Technik ist beeindruckend. Interpretatorisch scheint dieser Rachmaninow aber aus einer anderen Welt zu stammen. Nobuyuki Tsujii hatte für die Themenvorstellung noch eine schöne Gestaltung übrig, näherte sich der komplexen Partitur aber meist mit einer nüchternen, zuweilen mechanisch wirkenden Haltung. Über eine gewisse Art von Organisation wies seine Interpretation selten hinaus, die differenzierenden Möglichkeiten gerade des Anschlags waren insbesondere in größeren Steigerungsbögen begrenzt. Die Ruhe und Konzentration, mit der Tsujii hier die Phrasen ein ums andere Mal anging, spricht jedoch für eine Innigkeit und Verbundenheit mit der Musik, der man sich mit Respekt nähern sollte und die hoffentlich nicht ausschließlich von Agenten im Hintergrund bestimmt wird. Chefdirigent Michael Sanderling folgte mit den Philharmonikern behutsam, die hier spürbare Konzentrationsleistung verhinderte jedoch manches Freispielen, das erst im dritten Satz besser wurde.

Gerahmt wurde das Klavierkonzert von zwei Werken von Antonín Dvořák. Die offenherzig-fröhliche Konzertouvertüre „Karneval“ ließ Sanderling zu Beginn des Konzertes mit viel Esprit musizieren, die etwas loser gefassten Zügel vom Dirigentenpult sorgten für eine schöne Atmosphäre. Ein Spiel voller Sorgfalt bis in kleinste Details hatte sich Sanderling für die 9. Sinfonie e-Moll „Aus der neuen Welt“ aufgehoben und hier gelang sogar der Spagat, Perfektion und frei schwingende Musikalität in den oft gar nicht genau zu bezeichnenden Einklang zu bringen, bei dem ungeahnt im Miteinander große Momente entstehen. Natürlich ist das Englisch-Horn Solo, exzellent vorgetragen von Volker Hanemann als Gast an diesem Pult, hier zu erwähnen, aber von immenser innerer Spannung war auch der Streichersatz des 2. Satzes getragen. Ebenso erfreute man sich am durchweg atmenden und wunderbar ausphrasierendem Zusammenspiel der Holzbläser, und auch die warm tönenden Einsätze des Blechs im piano schienen nahezu vergoldet. Vielleicht hat Tsujii mit seinem Spiel ja eine besondere Sensibilität auch für die Sinfonie hervorgekitzelt – eine solch runde, in den Tempi von Sanderling feinnervig-flüssig angegangene Interpretation dieser so bekannten Sinfonie ließ packende Hörerlebnisse entstehen, somit wahrlich „neue Welten“.

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