Sergej Newski im Porträt bei „Komponisten zum Frühstück“
Ein gutes Sonntagsfrühstück sieht so aus: Brötchen, Ei, Butter, Marmelade, Komponist. Komponist? Exakt – man setze Publikum an eine vorbereitete Tafel und reiche neue Musik zum Kaffee. Wer sich das nicht vorstellen kann, sollte unbedingt ein Konzert der Reihe „Komponisten zum Frühstück“ des ensemble courage besuchen – die vierte Runde fand am Sonntag im Festspielhaus Hellerau statt.
Auf der Empore mit den großen Fenstern gelang der Start in den Sonntag akustisch wie kulinarisch opulent und dass statt der Sonntagszeitung oder dem Gottesdienst aus dem Rundfunk neue Musik die „Beilage“ bildet, ist eine höchst angenehme Art, sich neben dem Bekannten (Brötchen mit Käse) auch das Unbekannte (russische Poesiealben) zu erschließen. Diesmal war Sergej Newski zu Gast – der in Berlin lebende, 1972 geborene russische Komponist hat unter anderem in Dresden an der Musikhochschule bei Jörg Herchet studiert und hinterließ seitdem immer wieder musikalische Spuren in der Stadt.
Die Musiker des ensemble courage kennen seine Handschrift seit vielen Jahren und dementsprechend vertraut ging es im Frühstückskonzert zu. Vier kürzere Stücke wurden ausgewählt, nach denen man durchaus behaupten durfte, Newski nun zu „kennen“, denn im Gespräch mit Moderator Wolfgang Lessing kamen auch besondere Interessen des Komponisten, gar rote Fäden in seinen Werken heraus. So hatten alle Stücke etwas für den Hörer Offenes zu bieten, mit dem man sich beschäftigen konnte – in „Lamento Traffic“ war dies eine Vorlage von Henry Purcell, die in ihrem Ausdrucksgehalt und ihrer barocken Natur von Ornamentik und Improvisation fragmentiert hervortrat und daher wie ein Konzentrat wirkte.
Vordergrund und Hintergrund, Oberfläche und Tiefe bilden oft Säulen der Partituren von Newski. Ein In-sich-Hineinhören war ein autobiografischer Aspekt von „Rift“, dem zweiten Stück, bei dem Violine, Bassklarinette und Klavier zwar wenig Gemeinsames im Sinne eines Trios ausgestalteten, aber sich gleichberechtigt und körperartig in der Zeit bewegten und dem Hörer die Zusammensetzung überließen. Wie vielgestaltig und auch überraschend Newski Ideen zu einem Musikstück zu fassen vermag, zeigten die „Altérations“ für vier Instrumente – ein monotones Stück aus der Perspektive eines „buddhistischen Plattenbaus“, das Newski als „sehr russisch“ bezeichnete: es ändert sich nichts.
Solcher Hintersinn geriet in der Ausführung durch das durchweg kompetent agierende ensemble courage sehr überzeugend. Das wahrlich im Wortsinn nervige, aus Nerven bestehende Stück verleugnete aber auch nicht eine im Untergrund bohrende Stimme, wenn das Cello in dieser Umgebung weltfremd wirkende, zerbrechliche Terzen hinzufügt. Zum Finale des Frühstücks trat die Performerin und Sängerin Natalia Pschenitschnikova hinzu und gestaltete mit courage einen wahrhaft launigen Ausklang: „Rules of Love“ heißt ein Zyklus, in welchem Newski Texte von Sergey Borissov verarbeitete: Mädchenlyrik, die aus Poesiealben gefallen scheint, wird hier mit etwas dickerem Pinsel volkstümlich oder -tümelnd, aber auch mit einem schönen Zug ins Absurde vorgestellt. Zwischen all dem „Er liebt mich“/“Er liebt mich nicht“ fällt Newskis Insistieren auf Rhythmen und Gesangsmotiven auf, das den Liebeskram zuweilen an der Gurgel zu packen scheint – womöglich ist Liebe am Ende doch (noch) ein ernstes Thema? Darauf noch einen Kaffee!
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