Schumann-Gala beim Moritzburg Festival
Den ganzen Abend nur Schumann? Ja, das geht. Das geht sogar sehr gut, wenn man den Komponisten in guten Musikerhänden und dessen Autographe und Skizzen in sorgsamer archivarischer Obhut weiß. Beides konnte man zur „Schumann-Gala“ am Freitagabend beim Moritzburg Festival beruhigt feststellen und eventuell eröffnete die gleichzeitige Ansicht auf die zum Konzert exklusiv ausgestellten, von der Sächsischen Landesbibliothek in diesem Jahr aus den USA erworbenen Skizzen zu Schumanns 1. Klaviertrio d-Moll, Opus 63 auch eine neue Sicht auf das Werk.
Die Leiterin der Musikabteilung, Dr. Barbara Wiermann, ordnete das Werk in Schumanns sehr produktive Dresdner Jahre ein – der Komponist sprach selbst von „Trio-Freuden“, die er angesichts der entstehenden Geschenkkomposition zu Claras 28. Geburtstag im Sommer 1847 empfand. Was sich in den Skizzen auch in der zu vermutenden Geschwindigkeit des Schreibstiftes erahnen läßt, beseelte auch die Interpretation: detailliert ausgearbeitete Motivik und der große Formgedanke gingen bei Benjamin Beilman (Violine), Li-Wei Qin (Cello) und Antti Siirala (Klavier) eine gute Verbindung ein. Über allem stand die Leidenschaft, die trotz aller Versuchung kontrolliert angegangen wurde. So kam nach dem schnurrenden Scherzo und dem mit wahrer Schumannscher „inniger Empfindung“ musizierten langsamen 3. Satz das Feuer des Finales perfekt zur Geltung und man staunte, wie gemeinsam atmend trotz aller überbordenden Leidenschaft die finale Stretta vollzogen wurde.
Auch das fünf Jahre früher entstandene Klavierquartett Es-Dur, Opus 47 stellt sich in reifer, kaum getrübter Atmosphäre dar, wenngleich es im direkten Vergleich mit dem Trio klassischer und nahezu geordnet wirkt. Mira Wang, Lawrence Power, Narek Hakhnazaryan und Antti Siirala gingen dieses Schlusswerk des Konzertes mit ähnlich kontrollierter Leidenschaft an, was vor allem in den wunderschön ausgespielten Satzanfängen sehr überzeugend war. Lediglich im Scherzo und im Finale wäre trotz der herausfordernden „Schreibe“ von Schumann vielleicht ein Quentchen weniger Tempo und dynamischer Zugriff möglich gewesen, um hier und da einem Übergang oder einem Detail nachzuspüren. Ein „Mehr“ war jedenfalls in keiner Spielart bei diesem Stück erforderlich – die vier Musiker gaben alles.
Schön, dass in der Mitte die 1851 entstandenen „Märchenbilder“ für Klavier und Viola standen – vier schlichte musikalische Gedichte, die besondere Empfindsamkeit benötigen. Dem in allen Stücken mit fast stoischer Ruhe, aber absoluter Übersicht und formidabler Klanggenauigkeit folgenden Antti Siirala am Klavier stand Lawrence Power an der Bratsche mit einer für dieses Werk überraschenden, hoch leidenschaftlichen Interpretation gegenüber. Ob man diese kleinen Stücke zu einem opernhaften Saitendrama entwickeln muss, sei dahingestellt – es war sicherlich eine neue Erfahrung, und Powers überlegter „Angriff“ für jeden Ton, bei dem zwischen knochentrockenen spiccati und überbordendem Singen alle Farben dabei waren, spricht sicherlich dafür, dass ein Zugang zu Robert Schumann auf vielerlei Wegen möglich ist. Und wenn der Komponist selbst im Klaviertrio „Nicht schnell, aber mit Leidenschaft“ schreibt, ist das erst einmal ein persönlicher Gedanke, den jeder Musiker für sich selbst verstehen und äußern muss – erst dann entsteht eine Deutung.
* Die Skizzen zu Robert Schumanns sind digital auf der SLUB-Seite einsehbar.
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