Samson et Dalila semikonzertant an den Landesbühnen Sachsen
Nicht weit fahren muss der Dresdner Opernfreund derzeit, wenn er ein unbestrittenes Meisterwerk der französischen Oper in heimischen Gefilden erleben will – an den Landesbühnen Sachsen hatte am vergangenen Sonnabend Camille Saint-Saëns Oper „Samson et Dalila“ Premiere. Meisterlich ist vor allem die Musik des einen großen alttestamentarischen Stoff verarbeitenden Dreiakters, während sich der Ruhm des Werkes nach der Uraufführung 1877 in Weimar nur langsam verbreitete. Der nicht unkomplizierten, zwischen Anlehnung an französischer Tradition und ebenso deutlich erkennbarer Innovation schwankenden Faktur des Werkes ist – das zeigen auch einige reichlich verunglückte Inszenierungen der Vergangenheit – qua Regie schwer beizukommen, erst recht, wenn der Anspruch zu sehr verfolgt wird, gleichzeitig Symbolik, politische Dimensionen und psychologische Schichten des Werkes freilegen zu wollen.
Das alles wohnt sicherlich in dem opulenten Werk, doch die in Radebeul vom musikalischen Leiter Jan Michael Horstmann besorgte semikonzertante Einrichtung des Werkes betont stärker den oratorischen Charakter und vor allem die grandiose Musik in all ihren Schattierungen, die samt einem einfühlsam agierenden Sängerensemble alle großen Emotionen zu entfalten imstande ist. Und da geschieht dann Überraschendes, verhilft plötzlich die einfache Darstellung und eine klare Arbeit mit wenigen Gesten und Haltungen auf der begrenzten Bühnenplattform eines schräg zum Publikum geneigten Davidsterns zu einer durchweg überzeugenden, die Spannung bis zum 3. Akt immer mehr steigernden Aufführung.
Seitlich ist der Chor postiert, das Orchester spielt auf zwei Etagen hinter den Sängern und ist dennoch gut und vor allem differenziert hörbar. Dem Chor gehört auch fast der gesamte 1. Akt – Sebastian Matthias Fischer hat das durch den Freien Opernchor Sachsen verstärkte Ensemble hervorragend vorbereitet, so dass die großen Bögen ebenso gelingen wie das pointierte Rufen, Klagen und Jammern der Hebräer, denen Samson zunächst seine Kraft und Macht demonstriert, indem als erstes Abimélech, der Statthalter von Gaza, dran glauben muss. Michael König und Hagen Erkrath (ein alter Hebräer) sind hier mit den kleineren Partien vertreten, gehen diese aber ebenso ernsthaft und stimmstark an wie die drei Protagonisten der Hauptpartien: Paul Gukhoe Song scheint mit dem Oberpriester eine Paraderolle gefunden zu haben, das strotzt stimmlich und darstellerisch derart vor Selbstbewusstsein, dass es eine Freude ist – erst recht, wenn die ersten Auftritte der Sänger mitten im Publikum erfolgen: in Radebeul ist man hautnah dabei!
Silke Richter (Dalila) und Christian S. Malchow (Samson) haben sich lange gewünscht, diese Oper aufführen zu dürfen und die Umsetzung gelingt ihnen phänomenal gut. In den als große Begegnungs- und Verwandlungsszene konzipierten 2. Akt kann man sich beim Zuhören nur so reinlegen und seufzt ein ums andere Mal innerlich freudig, weil vor allem Richter mit großem, aber klug eingesetzten Schmelz in ihrem Mezzosopran Saint-Saëns‘ melodischem Wunderwerk absolut natürlich und kompetent begegnet. Auffällig ist auch, dass die menschliche Komponente durch eher weiche und ruhige Bewegungen und die stimmliche Ausformung von Richter und Malchow stärker betont wird als abgründige Hass-, Rache- und Blutgelüste, auf die man im Stück ohnehin zuhauf trifft. So bleibt auch Malchow selbst beim Erflehen der Wiederkehr seiner Kräfte am Ende verständlich und glaubhaft – der Tempel muss dennoch stürzen.
Und es gibt noch mehr Anlass zur Freude: wunderbar minimalistisch-phantasievolle Kostüme, die prägnante Arbeit mit Licht und Farbe und dann vor allem die in großer Besetzung hervorragend aufspielende Elbland Philharmonie Sachsen. Deren Stärke liegt hier sowohl im protzig aufgelegten, aber immer durchhörbaren Tuttiklang, aber ebenso auch in fein schwingenden, begleitenden und kammermusikalisch blitzenden Passagen. Da ist man fast schon dankbar, dass im Bacchanal auf das Partyballett der Philister szenisch verzichtet wurde – die Hauptrolle spielt nämlich hier das Orchester. Einhelliger, großer Jubel stand am Ende der Aufführung, die man sich schon allein deswegen nicht entgehen lassen sollte, da die letzte Aufführung von „Samson et Dalila“ in diesen Gefilden vor über hundert Jahren stattfand – gönnen Sie sich also einen packenden Opernabend in Radebeul!
* weitere Aufführungen: 22., 26., 28.1.
* www.landesbuehnen-sachsen.de
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