Christina Biwank und Christoph Berner im Kammerkonzert der Philharmonie
Mit „Viola weltweit“ war das Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie am vergangenen Sonntag auf Schloss Albrechtsberg betitelt, wobei so eine Reise naturgemäß gerade einmal das umfassen kann, was in ein zweistündiges Konzertprogramm hineinpasst. Gemessen an der rund um den Globus entstandenen Originalliteratur für die Bratsche hätte man daraus auch einen ganzen Konzertzyklus konzipieren können. Christina Biwank wäre für ein solches Unterfangen sicher zu gewinnen, denn die Solobratschistin der Dresdner Philharmonie ist sowohl in der Orchesterliteratur als auch in der Kammermusik stets mit funkelnden Augen dabei, wenn es Spannendes zu entdecken gilt.
So konnten sich die Zuhörer hier von der Neugier leiten lassen und wurden mit einem abwechslungsreichen Programm belohnt, das die Bratsche im Zusammenspiel mit dem Tasteninstrument in vielen Facetten zeigte. Kurze Sätze und Charakterstücke bestimmten den ersten Teil, da kam es vor allem darauf an, für Aussage und Stimmung der Werke sofort einen passenden Klang zu finden. Christina Biwank gelang dies hervorragend. So traf sie zu Beginn sogar den leicht akademisch unterkühlten Ton des Konzertstücks von Georges Enescu genau. Man merkte, dass die Komponistenfeder gern die Geige bevorzugt hätte und der Anlass der Komposition – ein Pflichtstück für einen Instrumentalwettbewerb – nicht unbedingt Tiefgang in den Noten hervorrief.
Ein modernes, pastellfarbenes Stimmungsbild schuf der Japaner Toru Takemitsu mit „A bird came down the walk“ nach einem Gedicht von Emily Dickinson. Biwanks ruhige Herangehensweise im Zusammenspiel mit ihrem Klavierpartner Christoph Berner, der schon mehrfach Gast der Philharmonie war, veredelte das Werk, das eigentlich nur aus kleinen, bescheiden gesetzten Melodieelementen besteht. Schade, dass sowohl hier als auch zu den dann folgenden „Märchenbildern“ von Robert Schumann die zugrundeliegenden Gedichte nicht im Programmheft zu finden waren, wie überhaupt der Programmtext nur aus wenigen Notizen zu den Stücken bestand. So träumte man sich selbst die Poesie zusammen, was durch die Interpretation der beiden Musiker erleichtert wurde: Biwank fand für den Schumannschen Klassiker einen großbögigen Legato-Ton, Berner hielt sich am Flügel dezent, manchmal gar zu dezent im Hintergrund – der 3. Satz etwa bekam zwar so eine gewisse Finesse, aber vielleicht doch zu wenig Impulsivität.
Die Konzertpause trennte dann Welten: mit der Viola-Sonate von Dmitri Schostakowitsch, entstanden 1975, war die manchmal etwas bodenlose Piècenromantik passé. Durchaus als persönliches, intimes und vor allem sehr bitteres Requiem darf man dieses letzte Werk Schostakowitschs auffassen. Zitate im Adagio, dem ausgedehnten 3. Satz der Viola-Sonate weisen auf Ludwig van Beethovens „Mondschein-Sonate“ hin, weshalb Christoph Berner genau dieses Stück als Präludium zu Schostakowitsch platzierte. Beide Werke erreichten eine interpretatorische Tiefe, die einem naheging. Christoph Berner wählte für Beethoven einen ruhigen, selbst im 3. Satz natürlich schwingenden dramatischen Ansatz und schaffte so eine Balance über das gesamte Werk hinweg.
Bei Schostakowitsch war insbesondere Biwanks Gratwanderung von emotionaler Distanz und Hingabe beim Spiel mit schonungslos offen daliegenden Passagen spannend zu verfolgen – und die immensen Melodiebögen dieser Sonate wollen erst einmal erfasst und gestaltet werden! Für Interpreten wie Zuhörer war dieser zweite Programmteil sicher kein alltägliches Konzert-Brot, dennoch war man um so dankbarer, sich diesem oft in warmen und der menschlichen Stimme nahen, aber vielfach auch resignierenden Tönen ausdrückenden, späten Monolog des Komponisten auf diese intensive Weise begegnen zu können.
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