Neue Konzertreihe von KlangNetz Dresden startet mit Sinfonietta-Konzert
Der Netzwerkverbund „KlangNetz Dresden“ bündelt seit einigen Jahren nicht nur Dresdner Ensembles, die sich für zeitgenössische Musik stark machen, er wird mehr und mehr auch zum Träger eigener Handschrift und zum Auslöser von Diskursen. Dazu hat wesentlich eine eigene Konzertreihe beigetragen, die jetzt in ihren vierten Jahrgang geht und sich auch weiterhin der Kooperation des Deutschen Hygiene-Museums versichert. Nach den „Sprachschichten“ im letzten Jahr (die Ausstellung „Sprache“ läuft noch bis 20. August) geht es nun um das „hin!HÖREN“ – so der Titel der neuen Reihe mit einem guten Dutzend Veranstaltungen bis November. Eine Konzertreihe mit „Hinhören“ zu betiteln, das hieße ja Eulen nach Athen tragen?! Dem darf schon ohne Konzerterlebnis widersprochen werden, denn wir entwickeln uns längst zu einer visuellen Gesellschaft, in der es nur zur allgemeinen und kulturellen Gesundheit beitragen kann, sich explizit dem Auditiven, seiner Vielfalt, den Möglichkeiten und Grenzen zu widmen.
Sinfonietta Dresden bot am Donnerstagabend im Hygiene-Museum das erste Programm zum Hinhören an und richtete dabei in schon bekannter Weise den Blick gen Osten: Die aserbaidschanische Komponistin Frangiz Ali-Zade überraschte in „Crossing II“ (1997) ebenso wie die Ukrainerin Ludmila Yurina in „Ran-Nan“ (1993) mit sehr individuell und klangsinnlich ausgestalteten Klangflächen. Bei Ali-Zade driftete dies in eine mal folkloristische, dann wieder meditativ anmutende Ebene, während Yurina mit schärferen Schnitten arbeitete. Jan Michael Horstmann stand diesmal am Dirigentenpult des Ensembles und leitete zu Beginn des Konzertes Charles Ives‘ berühmtes Orchesterstück „The Unanswered Question“. Das schärfte die Sinne in besonderer Weise: über den Streichern fragt die Trompete unablässig in den Raum, während Holzbläser darob in heiße Diskussion verfallen. Vor allem dieses Stück war auch akustisch im Hygiene-Museum bestens aufgehoben.
Hier wie auch bei Ali-Zade irritierten allerdings die unkoordiniert im Ensemble zerrieselten Schlüsse. Vielleicht war es auch der Fülle des aufgefahrenen Notenberges – sechs Stücke waren in über zwei Stunden Konzertdauer zu bewältigen – geschuldet, dass der Abend nicht durchweg befriedigend ausfiel, und die Musiker in Intonation oder Zusammenspiel ein ums andere Mal an Grenzen gelangten. Möglicherweise lag das auch an der merkwürdigen Angestaubtheit eines von Sinfonietta Dresden gerade frisch uraufgeführten Werkes: „music by numbers III“ von Nikolaus Brass schob munter das einmal eingeführte Material aus einigen über die Oktave gedehnten Sekunden (das gab es auch seit Webern schon ein paar Mal) hin und her, als würde es in Musik um nichts anderes gehen.
Den eingepferchten Intervallstrukturen konnten auch die beiden Solistinnen (Uta-Maria Lempert, Violine und Susanne Stock, Akkordeon) nichts wirklich Spannendes abgewinnen, dazu fehlte es auch an der Prägnanz des Unbedingten in der gesamten Interpretation. Mit dem Ricercar a 6 von Bach in der Bearbeitung von Anton Webern stand ein weiterer Klassiker der Moderne am Ende des Konzertes, das war dann aber nach Isang Yuns stimmverschlungenen, hochvirtuosen „Kammerkonzert I“ ein matter und zu wenig auf den Punkt gebrachter Ausklang. Angesichts des für Musiker wie Publikum ebenso – nimmt man es ernst – aufwändigen Hinhörens darf man mit der Dosierung desselben durchaus haushalten. Dies aber muss man sicher auch von Konzert zu Konzert neu ausloten.
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