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Den Stürmen trotzend

Raschér Saxophon-Quartett mit Chören in der Philharmonie-Matinee im Deutschen Hygiene-Museum

Kaum beeindruckt von den Wetterkapriolen von Sturm Herwart am Sonnabendvormittag zeigte sich der Kinderchor der Dresdner Philharmonie, der sein Konzert im Hygiene-Museum pünktlich und offenkundig vollzählig beginnen konnte. Auch im Publikum hatten erstaunlich viele dem Sturm getrotzt, um diese Chor-Matinee erleben zu können. Der Philharmonische Kinderchor unter der Leitung von Gunter Berger, gerade von seiner erfolgreichen China-Tournee zurückgekehrt, hatte sich Gäste aus Österreich und den USA eingeladen – damit wurde das Konzert abwechslungsreich und die Sängerinnen und Sänger durften auch einmal verschnaufen. Eine dramaturgische Linie gab es nicht, man lauschte einem „Best of“ der beiden auftretenden Chöre, verknüpft mit zwei größeren Werken, für die ein Ensemble von Weltrang gewonnen werden konnte: das „Raschér Saxophon Quartett“ ist seit Jahren kooperativer, kreativer Partner philharmonischer Ensembles und sagte sicher gern zu.

Freundschaftlich verbunden ist man außerdem mit dem Chor des Bischöflichen Gymnasiums in Graz, der den ersten Programmteil a cappella übernahm. Die Grazer (Leitung Valentin Zwitter) wussten vor allem mit Madrigalen der Renaissance zu begeistern, moderne Stücke hatten es schwerer – entweder wegen schwacher Komposition („Schokolade im Kopf“) oder Interpretationen, die nicht genug Biss hatten (Kodálys normalerweise mitreißendes „Turot eszik a cigany“). Auch der Philharmonische Kinderchor wusste insgesamt mit anspruchsvollen Stücken zu erfreuen, etwa mit André Caplets harmonisch reizvollem „Sanctus“. Doch merkwürdigerweise setzten beide Chöre sehr auf Akkuratesse und Zurücknahme, was letztlich im Potpourri der Stücke nicht überzeugte. Leise, empfundene Melodien konnten die jungen Stimmen wunderbar umsetzen, aber einen dem stürmischen Pendant draußen entgegengesetzten vokalen Wirbelwind vermisste man drinnen im Saal, der zugegebenermaßen ein sattes Vokalforte auch sogleich matt einfärbt.

Darf man sich außerdem wünschen, dass die Philharmonie künftig wieder mehr Angebote für Zuhörer schafft, die eben nicht wissen, wer Philip Glass ist, dass in Kódalys Volksweise „der Zigeuner Topfen kaut“ oder sich Pierre Passereau in „Il est bel et bon“ einem ganzen Hühnerstall widmet? Das kaum mehr als Programmheft zu betitelnde Printwerk ließ sowohl die Glass-Biografie, als auch die wertvollen Liedtexte oder einen erhellenden Programmtext vermissen. Oder musiziert man hier nur für die Freunde, die eh alles schon kennen? Zu allem Unglück war auch noch eine Harfe auf dem Titelbild abgebildet und die sicher begleitende Iris Geißler am Klavier verschwiegen. Das Raschér Saxophonquartett hatte im Konzert zunächst ein instrumentales – und zudem sauber in der Mitte zerteiltes – Intermezzo zu bieten. Auf diese Weise nahm man leider Philip Glass Quartettkonzert die Wirkung des ganzen Werkes und ich hoffe nicht, man kommt nun auch auf die Idee, Brahms‘ Sinfoniesätze quer über einem Programm zu verteilen. Die Raschérs verlegten sich bei dem für sie komponierten Konzert auf ein professionell ausgeführtes Legatospiel, das aber nicht durchweg angebracht schien: im 2. und 4. Satz wäre frecheres, kantigeres Spiel möglich gewesen. Dafür strömte Glass’scher Honig im 3. Satz durch den gesamten Saal: superb gespielt!

Nach einer weiteren Mitwirkung des Quartetts in einer Purcell-Bearbeitung von „Sound the Trumpet“ kamen alle Mitwirkenden zu einer finalen, eindrücklichen Uraufführung zusammen: Der Dresdner Komponist Rainer Lischka, beiden Ensembles durch viele eigens entstandenen Werke ehrenvoll verbunden, hatte eine Kantate namens „Glaubenswege“ für Saxophonquartett und Kinderchor komponiert, die zu Ehren seines 75. Geburtstages uraufgeführt wurde. In den „Glaubenswegen“ konnten beide Chöre, nun gemeinsam musizierend, zu außerordentlicher Ausdruckstiefe gelangen. Diese verströmten die geistlichen Texte zwar ohnehin, aber in der sanft-schwingend bis vehement gesetzten Musik als Handreichung von Möglichkeiten zur Glaubenshaltung erreichte die Aufführung des neuen Lischka-Werkes einen besonderen Ernst, von authentischer Überzeugung kündend.

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