Dresdner Philharmonie und Michael Sanderling debütieren in der Elbphilharmonie Hamburg
Nach dem Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt letztes Wochenende stand für die Dresdner Philharmonie am Mittwoch eine weitere Kurzreise an – diesmal in den Norden, und diesmal langersehnt und mit gehöriger Spannung versehen: Debüt in der Elbphilharmonie Hamburg! Neben dem überwältigenden Raum-Klang-Ereignis der Elbphilharmonie bot sich mitgereisten Dresdner Zuhörern ein interessantes Déjà-vu-Erlebnis: Einen Saal eröffnen? Das können die! Nun musste die Hamburger Elbphilharmonie, die zur Kulturpalasteröffnung Ende April dieses Jahres schon im vollen Spielbetrieb war, zwar nicht mehr eröffnet werden, aber beim jetzigen Gastspiel in dem neuen, akustisch hochmodernen Saal verblieb der Zauber des ersten Mals im gemeinsamen Entstehen von Musik sowie die Feststellung, die auch Michael Sanderling teilte, dass beide Elbestädte, die im übrigen just das 30-jährige Bestehen ihrer Städtepartnerschaft feiern, nun mit Stolz einen hervorragenden Konzertsaal ihr eigen nennen können – mit allen Unterschieden und Besonderheiten, die hier natürlich greifbar waren, aber eben auch eine einmalige Spannung erzeugten.
Die Dresdner Philharmonie schenkte der Hamburger Elbphilharmonie und seinem Publikum – natürlich war der Saal auch an diesem Abend ausverkauft – ihren Klang und hatte sich rasant und hochkonzentriert mit lediglich einer kurzen Anspielprobe auf die Bedingungen eingestellt. In der Einrichtung auf neue Klangsituationen dürfte der Dresdner Philharmonie nach der fünfjährigen Interim-Zeit ohnehin so schnell niemand etwas vormachen. Natürlich ist es für die Orchesterprofis eine Selbstverständlichkeit, ein neues Domizil bei einer Tournee schnell in musikalischen Besitz zu nehmen, man dürfte aber genau für diese Sensibilität den Dresdnern besondere Kompetenz zusprechen und die Erforschung der klanglichen Möglichkeiten im Kulturpalast ist ja nicht mit der Inauguration beendet. In Hamburg stellte sich Anfang des Jahres nach berechtigtem Stöhnen über die Makel der langen und teuren Bauphase endlicher Jubel bei der Eröffnung ein, während nun Unkenrufe lauter wurden, der Saal wäre sezierend und würde die Orchester bloßstellen.
Doch die Dresdner hatten mit dem Saal und seinem vorauseilenden Ruf überraschend wenige Probleme, ganz im Gegenteil: nach den ersten Tönen in den Schumannschen „Carnaval“-Orchestrationen war klar, dass dieses Konzert ein außergewöhnlicher Erfolg werden würde. Sehr schnell stellte sich eine sehr gute Balance und Durchhörbarkeit ein, freundeten sich die Musiker mit der Transparenz der Schumannschen Linien in diesem Raum an und reichten sich die motivischen Bälle weiter. Man spielte regelrecht mit dem Akustikwunderwerk, das – so äußerten einige Musiker übereinstimmend – sich auf der Bühne ganz anders anfühlt als im Publikumsrund. Würde der Klang tragen? Würde die Intention der Interpretation, die intensive Probenarbeit, die Sanderling den Schumann-Stücken und der Dvořák-Ouvertüre bereits in Dresden angedieh, sich auszahlen?
Auch nach dem Konzert gab es eifrige Gespräche und Vergleiche, ein „zu Hause ist’s schöner, familiärer“ war ebenso vernehmbar wie die Überraschung, wie positiv-annehmbar der Hamburger Saal sich doch spielen läßt. Vom Dirigentenpult aus strömte im Konzert viel Vertrauen zu den Musikern, und die Nahtstelle zwischen Hochkonzentration und Freispielen war der spannendste Vorgang an diesem Abend. Die Dresdner Philharmonie entdeckte schnell die Brillanz des Raumes; mit ihren Fähigkeiten sowohl in den kammermusikalischen Passagen, wofür stellvertretend hier die exzellente Horngruppe sowie Soli in Englisch-Horn und Klarinette genannte seien, als auch im romantischen Tuttiklang begeisterten sie das Publikum, das sich übrigens im Schweigen zwischen den Sätzen übend von der besten Seite zeigte. Schumanns 3. Sinfonie, die „Rheinische“, geriet dabei zum sinnlich ausmusizierten Kleinod, und das von Daniel Müller-Schott intensiv angegangene Cellokonzert Opus 129 bot noch einmal neue Aufgaben im Musizieren mit dem fabelhaft aufspielenden Solisten. Eine achtsame Begleitung, so Michael Sanderling im Gespräch nach dem Konzert, sei allerdings die Verantwortlichkeit eines Dirigenten in jedem Saal, da bildet Hamburg keine Ausnahme.
Befragt zu einem Vergleich äußerte sich der Chefdirigent zurückhaltend: beide Säle haben eine eigene Atmosphäre – vielleicht sei Dresden im Klang etwas wärmer, Hamburg transparenter, jedoch sei dies unbedingt auch eine Frage des Repertoires und auch der subjektiven Wahrnehmung, so Sanderling. Unbestritten sei jedoch die hervorragende Gesamtqualität beider Säle. Begeistert zeigten sich auch die Orchestermusiker nach dem Konzert nicht nur von den elbseitig gelegenen Panorama-Einspielräumen, sondern auch vom gemeinsam kreierten Musikerlebnis, das sich am Ende in einer spürbar lockeren, schwingend musizierten Dvořák-Ouvertüre Bahn brach. Damit nicht genug: ohne eine Zugabe, einem Slawischen Tanz von Dvořák, wurden die Dresdner nicht von der Bühne gelassen. Ein Fluss, zwei in ihrer Kultur herausragende Städte und zwei individuelle, klanglich hervorragende Säle – die musikalische Partnerschaft von Dresden und Hamburg, so Intendantin Frauke Roth, soll auch in Zukunft intensiv gepflegt werden.
Fotos: Gudrun Muschalla
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