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Komponist und Philosoph

Gesprächskonzert mit Jakob Ullmann an der Dresdner Musikhochschule 

Dass man das Neue auch in einer Tradition stetig befördern und beleuchten kann, zeigt die Serie der Gesprächskonzerte beim KlangNetz Dresden – mehr noch: als es diesen Ensembleverbund noch gar nicht gab, war es für die Studenten an der Dresdner Musikhochschule schon immer ein Highlight des Semesters, wenn ein renommierter Komponist zu Workshops und Konzerten an das Institut eingeladen wurde. In den letzten Jahren war dies mehrfach an den Capell-Compositeur der Staatskapelle Dresden gekoppelt, doch KlangNetz Dresden geht auch eigene Wege und so kommen die Zuhörer der Werkstattkonzerte im Konzertsaal der Musikhochschule in den stets abwechslungsreichen Genuss des Neuen. Selten jedoch ist von einer wirklichen „Szene“ zu berichten, ist es doch auch meist im Sinn des Porträtierten, dessen individuelle Handschrift wahrzunehmen und keinen kammermusikalischen Abriss, der nach Routine schmeckt. Oft sind es die Studenten selbst, die sich nach Erhalt der für die Gesprächskonzerte vorgeschlagenen Partituren regelrecht geweckt zeigen und eigenen hohen Anspruch in der Interpretation entwickeln. Und dass zeitgenössische Musik nicht aus dem noch so trainierten, berühmten Ärmel geschüttelt werden kann, dessen sind sich auch die jungen Musikerinnen und Musiker bewusst.

Am 30. Januar also war der Komponist Jakob Ullmann, Professor an der Musikhochschule in Basel, zu Gast in Dresden, und musikalisch aufmerksame Zeitgenossen horchen auf: Moment, der kommt doch von hier? Richtig, in Freiberg geboren, in Dresden ausgebildet, sodann mit einer durchaus bunten, keinesfalls immer angenehmen Biografie, die bereits vor der Wende das problematische, für ihn aber authentisch-überzeugte „Nein!“ oder „Ich nicht!“ einschloss. Beobachtet man Leben und Werk von Jakob Ullmann aus sanfter Distanz, so ist der Rebell zum Philosophen geworden. Kaum weniger authentisch, kaum weniger widerständig. Doch das Konzert zeigte in nur zwei Stücken eine aufregende Entwicklung des Komponisten in etwa zehn Jahren: die „komposition à 9“ breitet fast opernhaft ein Tableau vielschichtiger Bezüge in einem Doppelquartett mit Stimme aus. Man kann sich da herrlich verlieren in diesem „Palimpsest“, einer Neubeschreibung, die Ullmann sogar durchführen musste, da die vokale Ebene dem ursprünglich instrumentalen Stück erst später hinzugefügt wurde, was eine reizvolle kompositorische Aufgabe (und beim Hören ebenso spannend!) zu sein scheint.

Ullmann sprach selbst von einer „abwesenden Anwesenheit“ des Textes, der verschiedene Quellen, vor allem aber Gedichte von Anna Achmatowa heranzieht. Viktoria Wilson (Sopran) und ein Oktett Studierender unter Leitung von Nicolas Kuhn hielten die Spannung dieses über eine halbe Stunde dauernden Werkes hoch. Wie ein Zeitzeichen stand zwischen beiden Werken ein Gruß des in Dresden lehrenden Komponisten Mark Andre auf dem Programm: seine „Drei Miniaturen“ für Klavier spielte der Autor gleich selbst und sorgte so für ein anderes Zeit-Bild in absoluter Verknappung der Aussage, die mit „Puls, Geräusch, Klang“ zureichend beschrieben ist. Jakob Ullmanns 1990 entstandenes Ensemblewerk „kol 1“ mit starkem Bezug zu Arnold Schönbergs „Kol Nidre“-Vertonung dauert ebenfalls eine gute halbe Stunde, es ist aber wesentlich weniger dicht gewebt und man erhält so ein anderes Zeit- und Wahrnehmungsgefühl. Hier kam eine schöne Raumkomponente hinzu, drei Bläser spielten von der Empore, das Ganze wirkte wie ein völlig verlangsamt rotierender Komplex, der das Hören und Verstehen nach und nach aushebelte. Wollten wir etwas verstehen? Wollten wir Erwartungen äußern angesichts dieser Musik, die vor-sich-hin-passiert?

Ullmann nimmt sich die kompositorische Zeit und freut sich im Gespräch mit Jörn Peter Hiekel nach der Musik am meisten über die musikalisch interpretierte, ausgestaltete Zeit und die Entdeckungen, die die jungen Musiker in seinen Stücken machten. „Musiker sollen ja nicht Sklaven des Komponisten sein“ – solche Offenheit führt zurück zur Kreativität, zum eigenen, geistvollen Spiel bei den Instrumentalisten und das war an diesem Abend deutlich zu spüren, so dass man eigentlich auch das „Gesprächskonzert“ schon als Widerspruch sehen musste: die Musik sagte doch schon so viel! Und dennoch: mit dem anwesenden, auch über seine Musik sinnierenden Jakob Ullmann rundete sich das Bild, bekamen Töne und Pausen weitere Farben. Am 28. März wird die Reihe mit dem Komponisten Martin Schüttler fortgesetzt.

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