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Klangskulptur der Erinnerung

Die Klanginstallation „Separated Strings“ der schottischen Künstlerin Susan Philipsz wurde am Freitag in der Kunsthalle im Lipsiusbau der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eröffnet. Bis zum 6. Mai können Besucher bei freiem Eintritt hier einem Arrangement einer Komposition des jüdischen Komponisten Pavel Haas zuhören, die dieser inhaftiert im KZ Theresienstadt 1944 kurz vor seiner Deportation nach Auschwitz schrieb.

Mit der Installation „Separated Strings“ der schottischen Künstlerin Susan Philipsz, die am 16. Februar eröffnet wurde, setzt das Albertinum in der Kunsthalle im Lipsiusbau eine Reihe von Ausstellungen des zeitgenössischen Kunstschaffens fort und widmet sich nach Heiner Goebbels „Die Provinz des Menschen“ (2016) erneut einer raumgreifenden Klanginstallation. Susan Philipsz wurde 1965 in Glasgow geboren, sie begann zunächst als Bildhauerin, widmete sich aber bald schon verschiedenen Klangskulpturen, in denen sie mit bereits existierenden Songs, Volksliedern oder klassischen Kompositionen neue Ausdrucks- oder Deutungsmöglichkeiten erforschte oder herstellte – 2010 erhielt sie den renommierten „Turner Prize“ für ihre Arbeiten. „Separated Strings“ (etwa „getrennte Streicher“) basiert auf der Komposition „Studie für Streichorchester“ von Pavel Haas (1899-1944), die der im KZ Theresienstadt inhaftierte jüdische Komponist 1944 anläßlich der Entstehung eines NS-Propagandafilms, der das Vorzeigeghetto porträtieren sollte, für Musiker im Lager schrieb und von diesen uraufführen ließ.

Susan Philipsz hatte für die documenta 13 bereits eine Fassung erstellt, die im Kasseler Hauptbahnhof, von wo aus auch Deportationszüge starteten, gespielt wurde. Cello- und Bratschenstimme erklingen dabei isoliert aus Lautsprechern, das Stück ist als Ganzes nicht erkennbar. Lücken und Pausen tun sich auf, wo eigentlich eine Violine spielt. Haas wurde – wie auch die Komponisten Hans Krása, Viktor Ullmann und viele andere Musiker – kurz nach der Uraufführung der „Studie“ nach Auschwitz deportiert und umgebracht. Die Partitur konnte der tschechische Dirigent Karel Ancerl rekonstruieren, die Kontrabass-Stimme blieb verschollen – eine weitere „stumme Lücke“ in diesem Werk. Für die Ausstellung im Lipsiusbau hat Philipsz nun eine neue Klangfassung namens „Separated Strings“ erstellt und der Violine wieder eine Stimme gegeben. Sie erklingt aber einzeln, von der Cello/Bratschenversion isoliert, so dass beide Fassungen eine Spieldauer von 28 Minuten ergeben. Isolation, Separierung, Nähe und Distanz – dies sind Assoziationsfelder, die sich beim Hören und Wandeln durch die Installation auftun, und die 12 im Hauptraum verteilten Lautsprecher sind zwar recht nah beieinander aufgestellt, wirken aber wie kaum störende Stelen im ansonsten nicht behandelten Raum.

Bei der Vorstellung der Klanginstallation am Mittwochvormittag wiesen Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und Hilke Wagner, Direktorin des Albertinum zwar auf die Verbindung der Klanginstallation mit dem besonderen Raum des Lipsiusbaus hin, diesen Zusammenhang gilt es aber beim eigenen Besuch zu ergründen, denn der Focus liegt ganz auf dem visuell ungestörten Hörerlebnis zwischen den Lautsprechern. Philipsz‘ Dekonstruktion der Partitur betont das Unwiderbringliche auf die Trennung und lückenhafte Erinnerung an Vergangenes und schafft so vor allem ein emotional bestimmtes Hörerlebnis des Momentes. Dass Haas‘ Komposition niemals als Ganzes erklingt, ist Absicht: wie kaum eine andere Musik würde das unbetrachtete Musikstück hier verstörend wirken. Trotzdem wäre für den Besucher vermutlich die Möglichkeit des Anhörens der kompletten Studie – beispielsweise im Nachbarraum über Kopfhörer – eine gute, wichtige Ergänzung, ebenso erhält man über eine Wandinschrift nur wenige Informationen über das Schicksal von Pavel Haas und der Künstler von Theresienstadt. In summa wirkt die Installation ebenso isoliert, wie sie sich mit Isolation auseinandersetzt, und vermutlich werden viele Besucher dazu angeregt, Fragen zu stellen, mehr erfahren zu wollen. Auf den Emporen bilden fotografische Werke von Susan Philipsz, die aber im Zusammenhang mit Musik, dem menschlichen Atem oder den „Separated Strings“ stehen, einen milden Kontrapunkt, einen Ort zum Weiterdenken oder schlicht auch die Möglichkeit des Übersichtshörens der Installation von einem höheren Punkt im Raum aus.

Foto (c) SKD Dresden

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Veröffentlicht in Rezensionen

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