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Warum schaffen wir als Menschen?

Das neue Album „Skills“ von Sven Helbig wird am Freitag im Konzert in der Staatsoperette Dresden vorgestellt.

Wenn man Kunstschaffende derzeit nach der Inspiration und Arbeitsenergie der letzten beiden Jahre befragt, fällt die Antwort selten eindeutig aus: die Situation bedeutete Fluch und Segen oder beides zugleich. Sven Helbig ist ein Künstler, der sowohl das zurückgezogene Arbeiten schätzt als auch das live-Erleben und Gestalten auf den Bühnen, als Erfinder und Produzent. So kennt man ihn in Dresden etwa aus Projekten wie der  „Hochhaussinfonie“, mit den Dresdner Sinfonikern oder der Band Pet Shop Boys, und zuletzt schrieb Helbig einen Satz des Cellokonzerts „Drei Kontinente“ für Jan Vogler, uraufgeführt bei den Dresdner Musikfestspielen 2019.

Daneben sind in den letzten Jahren Chorwerke, die „Pocket Symphonies“ und Arrangements für die Pianistin Olga Scheps entstanden – Herzensprojekte, in denen er klassische Besetzungen in außergewöhnlicher Weise mit elektronischer Musik, Pop oder Rauminszenierungen verbindet. Wie hat er selbst die letzten beiden Jahre als Musiker empfunden? „In den ersten Monaten war mir die Ruhe nach 3 Jahren auf Tour fast willkommen.“, äußert Helbig im Gespräch. „Jetzt überwiegt seit langem schon die Unruhe, wie man als Musiker, der von Konzerten lebt, wieder auf die Bahn kommt. In so einem Zustand hat neue Musik natürlich immer eine Färbung. Das geht nicht spurlos vorbei.“

Ganz frisch erschien am letzten Freitag eine CD von Sven Helbig mit zehn neuen Stücken – „Skills“ heißt das neue Kind und macht schon beim Titel neugierig, denn was hat es mit Musik auf sich, die Fähigkeiten und Talent thematisiert? „Das Thema beschäftigt mich schon sehr lange. Vor einigen Jahren fiel mir Peter Korns ‚Why we make things and why it matters‘ in die Hände und da habe ich das Album plötzlich buchstäblich hören können. Ein zweites Buch, dass mich hier beschäftigt hat, ist das „Rosarium Philosophorum“ aus dem 16. Jahrhundert. Hier wird in 10 Schritten die Herstellung des “Steins der Weisen” behandelt. Darin ist ein praktischer und ein innerer Schulungsweg beschrieben. Ich denke, Menschen suchen unbewußt etwas Unumstößliches, Ewiges in der ‚Perfektion‘ – etwas, dass sie ihrer eigenen Vergänglichkeit entgegensetzen können.“

Helbig entfaltet auf dem neuen Album Geschichten hinter Begriffen wie Neugier, Innovation oder Verwandlung und eröffnet so mit und hinter der Musik eine sanfte philosophische Diskussion: Warum schaffen wir als Menschen? Was treibt uns an und womit gehen wir „zu Werk“? Ein Blick auf das ebenfalls von Helbig entworfene, kunstvoll gestaltete Cover der CD gibt weitere Hinweise darauf, dass der Künstler konkrete Gedankenbilder dazu entwickelt: ein Stilleben in der Art der Vanitas des 17. Jahrhunderts zeigt Porzellan und Schmuck, Notenbücher und Instrumente, ein Serum-Fläschchen, aber auch ein Skateboard. Es zeigt sich, dass ein gestaltetes „Werk“ ebenso wie ein Handwerks-Stück immer aus dem Legen von Beziehungen, Erinnerungen und eben auch Fähigkeiten besteht. Helbig fügt noch die Zeitdimension hinzu: „Ich finde den Wandel der Fähigkeiten faszinierend. Menschen haben in den vergangenen Jahrhunderten ganz andere Dinge meisterlich beherrscht, als heute.“

Cover zur Singleauskopplung „Lore“

„Skills“ ist also ein Gesamtkunstwerk, auch die Videos zu einzelnen Single-Auskopplungen hat Helbig entworfen und gemeinsam mit Partnern wie etwa dem polnischen Medienkünstler Kwasery Komputery produziert. Und wie klingt das? Vor allem wie eine behutsame Gedankenverfertigung – Sven Helbig findet ruhige, bedächtige Klänge, hat Hörner und ein Streichquartett sowie elektronische Elemente ausgewählt, die nicht nur als Werkzeug, sondern quasi als Redner und Diskutanten der „Skills“ fungieren: „In einigen Momenten des Albums benötigte ich feierliche, fast hymnische Farben. Das kann kein Instrument so gut erzeugen wie das Horn.“, so Helbig.  Im Bereich von „Neuer Klassik“ angesiedelt, ist seine Musik in einer zugänglichen Ausdruckswelt verfasst.

Oft überwiegen melancholische Melismen, nur einzelne Tracks wie „Repetition“ sind rhythmisch derart ausgeformt, dass sie sich wie auf einem Band fortbewegen. Wenn auch das Wort Nostalgie beim Hören aufscheint, ist dies durchaus eine Qualität von Helbigs Musik in dem Sinne, dass Erinnerung und Erlebtes mit dem jetzigen kreativen Schöpfen verknüpft werden kann. Erst dann fängt das Horn an zu singen (der ehemalige Philharmonie-Hornist Jörg Brückner kann das famos) oder legt das Mondena-Streichquartett die Basis für einen Gedankenstrom, bei dem man sich am Ende des Hörerlebnisses von „Skills“ doch optimistisch gestimmt versichert, dass Kunst doch immer noch das Wichtigste ist. Am 12. Februar stellt Sven Helbig sein Album in der Staatsoperette Dresden vor, begleitet von Visuals des isländischen Videokünstlers Mani M. Sigfusson.

Fotos: Sven Helbig (privat), Cover: PR, svenhelbig.com

Update: Sven Helbig ist seit Montag frischgebackener Kunstpreisträger 2022 der Stadt Dresden. mehrlicht gratuliert!


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Veröffentlicht in Dresden Features Rezensionen Weblog

Ein Kommentar

  1. Ich melde mich nur einmal, um zu zeigen, dass ich die Seite gefunden habe

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