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Berlin

Ich bin ja vom Dorf. Ab und zu falle ich in die große Stadt ein, nehme schlaglichtartig wahr, was anders oder „fremd“ ist, was auf mich einwirkt. Der Tempo-80-Flow auf der A100 bringt mich in den rechten Puls für die Stadt, auf dem Weg zur Philharmonie stelle ich fest, wie heterogen Schöneberg sich mir darbietet und damit exemplarisch für die ganze Stadt steht. Vor einem mindestens 20m breiten bunten Obstladen bietet ein türkischer Verkäufer lautstark seine Apfelsinen feil, daneben sitzen beanzügte Mittagspäusler in einer chillig-teuren Suppenbar, ein Haus weiter kann man sich Tatoos fertigen lassen, das Wintergarten-Varieté gegenüber zeugt von vergangenem Charme. Weiter auf dem Weg zur Philharmonie bin ich seit langer Zeit wieder einmal im Quartier des Potsdamer Platzes, nun keine Baustelle mehr. Stattdessen drängt sich mir das Wort „urban“ auf, und doch wollen diese Glaspaläste sich nur abstoßen von mir, laufen Touristen ratlos herum und fotografieren schließlich einen Ensembleausschnitt des Konsumtempels. Doch auch hier ein Kontrapunkt: in der Chrom-Untertunnelung nahe des Bahnhofes zünden sich zwei Kapuzenjungs vor mir einen Joint an und schlendern im nicht PotsdamerPlatz gemäßen (das wäre: eilig, blickleer, aber wichtig) Tempo weiter. Einmal über die Straße und man steht vor der Philharmonie, dieser Herbert-von-Karajan-Altar, Kunsttempel und heilige Institution des Gutbürgerlichen. „Wilde Klassik“ prangt nebst Tigerkopf auf Riesenplakaten und wirkt fast wie eine Entschuldigung für den in Ehrfurcht vor sich selbst ruhenden Bau. Innen verstört der längst vergangene „Geschmack“ dieser Konzerthalle, die Akustik ist sowieso bedenklich, das Konzert berührt mich jedoch tief. Am Ende nehme ich Bilder und Töne mit, auf der langweiligsten Autobahn Deutschlands gen Sachsen rauschend. Heim ins Dorf.

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