2. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle
Es stürmt derzeit gewaltig auf der Bühne der Semperoper. Nicht nur in der aktuellen Inszenierung des „Othello“ von Giuseppe Verdi, sondern auch im 2. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle. Mit Benjamin Brittens „Vier Seebildern“ aus der Oper „Peter Grimes“ gab es einen Vorgeschmack auf die Premiere des kompletten Werkes im Februar 2007. Der junge kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin (Debut bei der Sächsischen Staatskapelle) zeigte mit seiner durchdachten, eher die ruhigen Klangschattierungen betonenden Interpretation die orchestrale Raffinesse des Britten-Werkes. Selbst im abschließenden Sturm-Finale blieb Nézet-Séguin der klare Gestalter des Meeresgetümmels. Ein weiteres Debut im Semperbau gab der russische Pianist Kirill Gerstein, in der letzten Saison „Rising Star“ an der Carnegie Hall, dennoch ein Vertreter der jungen Generation, der vom Rausch der Medienwelt (glücklicherweise?) noch nicht erfasst ist. Die Wahl des Klavierkonzertes G-Dur von Maurice Ravel war dennoch unglücklich, zusammenfassend muss man feststellen, dass Gerstein die Möglichkeiten dieses Konzertes nicht ausgeschöpft hat. Immer wieder behinderte ein Drang zur Perfektion das feine Perlen dieser Komposition. Die technische Souveränität – Gerstein spielte vor allem im 1. Satz beinahe wie ein Uhrwerk – ist hier so ziemlich die unwichtigste Komponente; der Interpretation fehlte es an Temperament und Tiefgang (besonders im 2. Satz), dabei machte das Orchester die atmenden Melodiebögen des Mittelsatzes doch so wunderbar vor. So erfreute man sich lediglich der Zugabe: bei Sergej Rachmaninows Werken ist dieser Pianist besser aufgehoben. Den 100. Geburtstag von Dmitri Schostakowitsch hat man in diesem Jahr mit vielen Aufführungen weltweit gewürdigt. Einem jeden Dirigenten muss klar sein, dass es ein gefährliches Unterfangen ist, zu diesem Anlass die 5. Sinfonie auf ein Konzertprogramm zu setzen, denn dieses Seelendrama verlangt, Abgründe zu erforschen, zwischen den Zeilen zu lesen und eine Musizierhaltung zu erzeugen, die den besonderen Umständen des kurz nach der öffentlichen Denunziation des Komponisten entstandenen Werkes entspricht. Nézet-Séguin riskierte das Wagnis und formte vor allem durch seine mutige, stets gezügelte Tempowahl eine phänomenale Wiedergabe der Sinfonie. Der kanadische Dirigent ließ viel Raum zum Ausmusizieren, bebilderte den Druck eines Scherzos, das nicht lachen kann und fand den Höhepunkt des Werkes im insistierenden Largo, dessen erschütternde Einsamkeitswelt die Kapelle intensiv darstellte. Sagte der Komponist selbst, das Finale sei ein mit Knüppeln erzwungenes „Jubeln sollt ihr!“, so folgte Nézet-Séguin dieser Aussage mit einem fast auf der Stelle tretenden Ausbruch des gesamten Orchesters, der beklemmend wirkte. Vor einer solch exemplarischen, viele Details berücksichtigenden Darstellung dieser Sinfonie durch einen 31jährigen Dirigenten zieht man den Hut – der Jubel des Publikums war deutlich und ehrlich.
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