3. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie
Der junge amerikanische Dirigent John Axelrod scheint das Risiko zu lieben. Wie sonst gelänge in einem Konzert gleichzeitig die vertrackte Bernstein-Serenade und die zwischen Genie und Wahnsinn liegende Partitur der Sinfonie in Fis, Opus 40 von Erich Wolfgang Korngold auf das Programm? Noch dazu die allzu bekannte Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 von Ludwig van Beethoven, die interpretatorisch keinesfalls zum „Einspielstück“ verkommen darf? Axelrod wagte dieses Experiment, und er gewann. Der Chefdirigent des Sinfonieorchesters Luzern zeigte als Gast im 3. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie, was sein Können ausmacht. Sein Charisma sorgte über den ganzen Abend hinweg für den überspringenden Funken und konnte so vergessen machen, dass da eigentlich halsbrecherische Noten auf den Pulten lagen. Zunächst bewies er jedoch Sinn für Stil und sensible Klangzeichnung in der Beethoven-Ouvertüre, die er mit allerhand dynamischer Abstufung versah. Dabei behielt er stets einen natürlichen Fluß bei, der zu einer spannenden Interpretation führte. Schon hier war klar, dass sorgsame Proben und inspirative Spielleitung ein kluges Verhältnis eingingen. Leonard Bernsteins Serenade für Violine, Harfe, Streicher und Schlagzeug dürfte zumindest Fragen aufwerfen, wenn man den Titel des Werkes wörtlich nimmt. Hinter dem nur scheinbaren Lyrismus des Begriffes verbirgt sich ein mit vielfältigen Verrücktheiten gespicktes komplettes Violinkonzert, zudem ein „typischer“ Bernstein, was die Bandbreite der Ästhetik angeht. Wolfgang Hentrich, Konzertmeister der Dresdner Philharmonie, widmet sich als Solist gerne Raritäten und Werken des 20. Jahrhunderts, seine Darstellung des Hindemith-Konzertes etwa ist noch in bester Erinnerung. Mit der „Serenade“ präsentierte er Bernsteins vielgestaltigen Klangbilderbogen auf überzeugende Weise. Der im Hintergrund der Komposition stehende philosophische Diskurs aus Platos „Symposion“ war vom Wort in die Noten gewandert, die außerordentlich sportliche Komponente der „Serenade“ ist ja durch das Land des Olymps ebenfalls historisch begründbar. Hentrichs Übersicht, Souveränität und vor allem sein konsequenter Zugriff in den schnellen Teilen war eindrucksvoll, das Werk selbst verstörte in seinem parlierenden Stilmix dann doch zu sehr. John Axelrod hatte hier bereits mit dem Streicherapparat des Orchesters eine Menge zu tun, das war jedoch noch nichts verglichen mit der „Arbeit“, die nach der Pause auf ihn wartete. Erich Wolfgang Korngold schrieb auf dem Zenit seines Schaffens 1950 seine erste und einzige Sinfonie. Komponistenkollegen wie Zimmermann, Henze, Messiaen dürften für ihn fremde Gestalten gewesen sein, seine Musik bewegt sich strikt im bis zum Zerreißen gespannten tonalen Feld der Jahrhundertwende, verläßt dieses jedoch nie. Die Sinfonie fasziniert dennoch durch unzählige Ebenen und Verästelungen, durch famoses Glitzern, luzide Soli und unerwartete Stimmungsumschwünge. Dass man trotz der enormen Anforderungen der Partitur gebannt zuhörte, ist Axelrods dirigentischer Leistung zu verdanken, die bei den Philharmonikern entfesseltes Spiel entfachte. Sicher gibt es bei solch einem Opus noch Reserven, doch allein das „Adagio“ mit einer ruhig ausmusizierten Schwermut war eine Glanztat des Abends. Immer wieder führte Axelrod die Philharmoniker zu organischen Steigerungen und zeigte in diesem Werk plastisch alle Facetten des „Korngoldschen Orchesters“: schillernde Farbenspiele, überzeugend dargeboten.
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