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Im falschen Film?

Mozart und Beethoven/Strauss bei der Dresdner Philharmonie

Dass das Resümée des 4. Zykluskonzertes der Dresdner Philharmonie bereits im Programmheft zu lesen war, ist nur eines der vielen Kuriosa in diesem Konzert: „Strauss-Kenner und -Liebhaber stehen heute ratlos vor diesem Wiederbelebungsversuch, mit dem schon die Beethoven-Freunde nicht recht glücklich gewesen waren.“ Besser hätte der Autor des Textes über Strauss‘ Bearbeitung der „Ruinen von Athen“ von Ludwig van Beethoven meine Stimmung nach dem Abend nicht beschreiben können. Wenn man Raritäten der Konzertliteratur wiederbelebt, sollte man sie entweder in einen aktuellen, spannenden Kontext bringen oder zumindest gute Gründe für diese Auferweckung mitbringen. Beides war im Konzert nicht der Fall. Wolfgang Amadeus Mozarts Ballettmusik aus der Oper „Idomeneo“, die vor der Pause erklang, hätte im Kontrast zu Werken von Charpentier oder Lully eine gute Figur gemacht, denn in dieser Tradition steht die Einbindung der Ballettmusik in die auch im Wortsinn spektakuläre Oper, die Mozart selbst mit großer Leidenschaft schrieb und die nicht nur Darstellung, sondern auch auskomponierte Überwindung alter Traditionen bedeutet. Auch eine der mittleren Sinfonien Mozarts hätte die Qualität der Musik deutlich gemacht. Im Kulturpalast standen die hübschen Ballettsätze aber allein auf weiter Flur, freuen konnte man sich nur am kultivierten, weichen Spiel der Philharmoniker. Fassen wir nun einmal kurz die tragische Geschichte der „Ruinen von Athen“ zusammen: Nach der Uraufführung in Pest verschwand das Werk in der Versenkung, Beethoven selbst bearbeitete Teile daraus mehrfach. Richard Strauss versuchte mit Hugo von Hofmannsthal die Wiederbelebung und komponierte als einzige Zutat ein Melodram ein, bei dessen unverhohlen benutztem „Alpensinfonie“-Thema ich mich im Konzert innerhalb der Beethovenwelt nahezu „im falschen Film“ vermutete. Auch die Strauss-Fassung hatte bei der Uraufführung nur mäßigen Erfolg. Philippe Entremont, Gastdirigent des 4. Zykluskonzertes, setzte das Werk nun auf das Programm und müßte eigentlich angesichts der kadenzlastigen, oft homophonen und in den rein orchestralen Ballettteilen furchtbar langweiligen Partitur selbst Zweifel bekommen, ob ihm hier ein spannender Konzertabend gelingt. Das lustlos hinkomponierte Chorfinale innerhalb des angestaubten Textes von August von Kotzebue sowie rasselnde Orchesterfiguren, die eigentlich noch Mannheimer Provenienz sind, sind weitere Beispiele des Scheiterns eines Gelegenheitswerkes. Philippe Entremonts vornehmlich steifes Dirigat half da wenig, zumindest die Kleinodien eines Hornquartetts und eines Cello-Solos blieben im Ohr; in vielen Teilen des Werkes hätte man sich jedoch mehr Präzision und Zugriff gewünscht. Der Philharmonische Chor hatte wenige, z.T. aus der Komposition begründbar undankbare Aufgaben und bewältigte diese (vor allem in puncto Textverständlichkeit) gut, wenngleich der Gesamtklang der Damen in der Höhe nicht befriedigend ist. Die Solisten Abbie Furmansky (Sopran) und George Mosley (Bariton), sowie der Sprecher Lars Jung interpretierten ihre Partien souverän, lediglich Vincent Pavesi (Bass) wirkte angestrengt. Natürlich sollen gerade die Zykluskonzerte der Philharmonie den Raum für Entdeckungen jenseits des Repertoires geben, doch anstelle des Notenschrankes der großen Komponisten würden manch vergessene Zeitgenossen (erinnert sei z.B. an den Beethoven-Schüler Ferdinand Ries) ungleich spannendere musikalische Erlebnisse bieten.

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