Brass-Variationen bei „Philharmoniker-Anders“
Ein Sinfonieorchester birgt in seiner klanglichen Vielfalt ja die unterschiedlichsten Kammerbesetzungen in sich – neben den Kammerkonzerten ist es vor allem die Reihe „Dresdner Philharmoniker – Anders“, die nicht nur interessante Besetzungen zusammenbringt, sondern auch die stilistischen Grenzen in einem Programm mühelos überspringt. Das war auch im 4. Abend im Alten Schlachthof der Fall. Das „Allround Brass Consort Dresden“ mit Musikern aus beiden großen Orchestern der Stadt trägt die Aufgabe schon im Ensemblenamen: „Allround“ heißt soviel wie: alles möglich, alles machbar. Das Consort tritt in einer großen Blechbläserbesetzung auf, in der auch Zusatzinstrumente wie das Corno da Caccia vertreten sind. Und will es der Komponist, dann wird die Tuba auch mit der E-Gitarre eingetauscht. Gespannt sein durfte man auf das Cellokonzert von Friedrich Gulda, dem zwei allbekannte Werke vorausgingen – Händels „Einzug der Königin von Saba“ dürfte den Dresdnern als Straßenmusik in furchterregender Interpretation geläufig sein, in der Bearbeitung für großes Brass-Ensemble erklang dieses Stück als festliche Intrada zum Konzert. Statt mit zwei Händen bemühten sich alsdann 26 Hände um die Préludes cis-Moll und g-Moll von Sergej Rachmaninov: die Klavierstücke erklangen in wirkungsvoller Bearbeitung. Liebevoll wurde zwischen den Stücken moderiert, doch so rechte Stimmung kam im nur halb gefüllten Saal noch nicht auf, selbst das Hauptstück des 1. Teils konnte nur ansatzweise überzeugen. Friedrich Guldas Cellokonzert ist ein Ausnahmewerk dieser Gattung. Instrumentiert mit Bläsern, Gitarren und Schlagzeug schafft es den nahezu shizophrenen Dauerspagat zwischen alpenländischer Seligkeit und rockigen Cello-Riffs, komponiert wurde es wohl zwischen mehreren Gläsern Rotwein für den Freund Heinrich Schiff. Was sich von der Bühnenrampe übertrug, war mir jedoch teilweise viel zu brav und „klassisch“ und passte nicht zu Guldas extrovertiertem „Wurf“. Victor Meister, Cellist der Philharmonie, ist hoch anzurechnen, dass er sich überhaupt für diesen halsbrecherischen Solopart entschied, doch ihm fehlte vor allem in den ersten beiden Sätzen (Chick Corea muss beim Komponieren dort auch mitgeholfen haben…) der Mut zur Übertreibung und zum temperamentvollen Ausdruck. Das Stück benötigt einen wahren Teufel am Violoncello, Meister jedoch blieb weitestgehend gelassen und die konzentrierte Atmosphäre hätte sich an einigen Stellen besser freisprengen sollen. Das freie Spiel war zwar im Finale stärker vorhanden, doch die Interpretation war auch im Orchester (Leitung Olaf Krumpfer) zu sehr vom guten Willen durchzogen, das Stück „ordentlich“ zu präsentieren. Genau diese Haltung relativiert aber Guldas musikalische Achterbahnfahrt zu sehr. Im 2. Teil des Konzertes standen zunächst Kompositionen von Peter Tschaikowsky („1812“-Ouvertüre) und Enrique Crespo auf dem Programm. Das angekündigte Nyman-Werk musste entfallen, stattdessen gab es zum Abschluss ein Medley aus Filmmusiken zu „James Bond“. Das löste großen Jubel beim Publikum aus, verständlich war dies vor allem wegen des kultivierten und überlegten Gesamtklangs des Ensembles, der nur selten in schnellen Passagen insbesondere in der Trompetensektion einige Intonationsflüchtigkeiten aufwies. Zwischen vollen, warmen Piano-Flächen (Crespo) und extremen Schallpegeln (Bond) war hier alles möglich und vieles bewundernswert – ein „Allround“-Ensemble eben.
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