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Steine, Vögel und Urgewalt

Recital Schleffen Schleiermacher im Kulturrathaus

Die wohl spannendsten Klanglandschaften der diesjährigen Musikfestspiele zeichnete der Pianist Steffen Schleiermacher bei einem Recital im Kulturrathaus. Das eher mäßig besuchte Konzert wurde zu einem packenden Bilderbogen mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Schleiermachers Konzerte sind immer auch dramaturgisch „durchkomponiert“, so präsentierte er im ersten Teil quasi einen Bogen aus fünf Stücken mit einem Prolog von John Cage, diese Sechsteiligkeit spiegelte sich dann im zweiten Teil in der Klaviersuite Nr. 8 „Bot-Ba“ von Giacinto Scelsi. „In a Landscape“ von Cage zelebrierte Schleiermacher nahezu schwebend, der unaufhörliche leise Notenfluss wirkte als ruhiges Vergehen von Zeit. Kontrastierend dazu Olivier Messiaens „La Chouette Hulotte“ (Der Waldkauz) aus dem „Catalogue d’oiseaux“, sicherlich eines der schwerer zugänglichen Stücke aus der Sammlung. Schleiermacher spielte das Stück darum auch deutlich strukturiert und grenzte die einzelnen Formabschnitte klanglich gut voneinander ab. Zweimal gab es einen „Steinschlag“ im ersten Teil: Nicolaus Richter de Vroes „Gabbro“ und „Peridotit“ (letzteres eine Uraufführung im Konzert) sind Klavierstücke, die von Gesteinsformen inspiriert wurden – rhythmische Zacken und plötzliche Ballungen im ersten Stück sowie ein „bronzefarbenes“ toccatenähnliches zweites Stück wiesen auch hier einen deutlichen Bezug zu Natur und „Klanglandschaft“. Schleiermacher steuerte außerdem sechs eigene Stücke aus einem Zyklus für Kinder dazu: kleine plastische Stücke, die ihre Wirkung nicht verfehlen und auf frappierende Weise zeigen, wie natürlich und farbenreich neue Musik klingen kann. Mit Toshio Hosokawas „Nacht-Klängen“ endete der erste Teil, in diesem Werk wie im gesamten ersten Teil war bereits faszinierend, mit welcher Konzentration und Sensibilität für den Anschlag Schleiermacher in jede dieser Landschaften eintauchte. Für Giacinto Scelsis (1905-1988) Klaviersuite „Bot-Ba“ jedoch waren diese Fähigkeiten noch einmal zu multiplizieren, das Werk verlangt eine bedingungslose Beherrschung und vor allem einen kühlen Kopf in der Herangehensweise. Schleiermacher gelang beides und dazu eine überlegte Abstufung von meditativen Passagen und (ur-)gewaltigen Ausbrüchen, die sich aber mit kontrollierter, enormer Kraft entfalteten. Aus dem Nichts heraus entstehende Klangballungen und über eine lange Zeit bis ins Bodenlose gesteigerte Wellen wurden von Schleiermacher optimal und plastisch angelegt. Die exemplarisch zu nennende, Grenzen ausreizende Interpretation wies nachdrücklich auf den italienischen Komponisten hin, dessen geheimnisvolle, extreme Klangwelt viel zu wenig gehört und gespielt wird.

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