Ensemble musikFabrik gastierte in Hellerau
Der Freitagabend war bei den Tagen der zeitgenössischen Musik in Hellerau von einem weiteren Gastspiel ausgefüllt: Das Ensemble „musikFabrik“ aus Nordrhein-Westfalen gastierte im Festspielhaus. Angesichts des Besuches dieser hochrangigen Truppe hätte ich ein ausverkauftes Haus vermutet, doch leider waren erneut lückenhafte Reihen im Auditorium zu verzeichnen, was zur Nachdenklichkeit anregt. Dabei sollte man doch zum 21. Festival der zeitgenössischen Musik erfreut feststellen, dass das Ereignis im Jahreslauf der Neue-Musik-Aktivitäten international einen festen Platz und guten Ruf genießt. Am Programm des musikFabrik-Konzertes lag es jedenfalls nicht, denn man konnte jeweils zwei Stücke von Rebecca Saunders und Wolfgang Rihm hören. Diese Dopplung ließ sowohl den erweiterten Blick auf das OEuvre des einzelnen wie auch Hör-Beziehungen zwischen den beiden Komponisten zu. Letztere sind schon allein durch die Tatsache vorhanden, dass Saunders bei Rihm in Karlsruhe studiert hat. Eine direkte Übereinstimmung läßt sich wohl in der Entfaltung von Klangmaterial und in der Linienbehandlung feststellen. Beide pflegen die genüssliche Inkonsequenz und den Klang-Sinn, und beide Komponisten haben sichtliche Freude am virtuosen „Instrument“, das dieses hochwertige Neue-Musik-Ensemble darstellt. Spannend war auch die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Werke. Eine Programmänderung fiel da kaum ins Gewicht, denn die Gegenüberstellung von „Dichroic Seventeen“ mit „a visible trace“ von Rebecca Saunders war spannend genug. Auf der einen Seite erklang ein schroffes Werk mit einer extremen Ausdrucksspanne in der unteren Frequenzwelt der Musik. „a visible trace“ hingegen war lichter in der Klangauswahl, die im Titel angedeutete „Spur“ konnte man durchaus verfolgen – Entstehen und Vergehen war das Thema dieses weitaus ruhigeren Stückes, das langsam und sanft ausklang.
Polaritäten gibt es auch im Werk von Wolfgang Rihm zu beobachten. Auch die beiden von ihm vorgestellten Werke hatten deutlich verschiedene Akzente: „Séraphin-Sphäre“ beschreibt eher Abläufe und Entwicklungen, die zumeist kreisförmig oder ziellos verlaufen. Diese absichtsvolle Langatmigkeit führt allerdings nicht gerade zu einem entspannten Zuhören, nach einer Weile ermüdet die Materialschlacht im immergleichen Ensemble-Klang und erreicht kaum emotionale Höhenflüge. Völlig anders gibt sich „Nachschrift – eine Chiffre“ aus dem Chiffren-Zyklus von Rihm: kraftvoll gestaltete Momente sind dies, die fast an seine frühen Orchesterwerke erinnern. Säulenklänge, Repetitionen, harte Attacken und immer wieder ein abruptes Kippen eines gestauten oder gestauchten Klanges führte zu einer hochdramatischen Darstellung, die dem Ensemble musikFabrik unter Leitung von Emilio Pomarico in faszinierender Weise gelang. In allen Werken des Abends überzeugte das Ensemble durch „Punktlandungen“ bezüglich der Genauigkeit, dazu kommt die enorme Virtuosität jedes einzelnen Spielers und doch hat man das Gefühl, dass alle Musiker den gemeinsamen, einenden Gedanken der jeweiligen Partitur genau nachvollziehen. Das Konzert war ein toller, lebendiger Beitrag zur Musik der Gegenwart, die, wenn man es genau nimmt, über das Jahr weg viel zu wenig in Dresden erklingt.
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