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Liebeswidmungen und Tanzbacchanal

6. Sinfoniekonzert der Staatskapelle Dresden

Brillante Orchesterfarben im Rahmen des Themas „Liebe“ wurden im 6. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden ausgebreitet. Die Konzertpause markierte dabei den Wechsel von der Hochromantik in den Impressionismus. Die auskomponierten Empfindungen zwischen erster Annäherung, Liebesfreude und Liebesschmerz waren dabei fast mit den Ohren zu greifen, so plastisch musizierte die Kapelle – lediglich die Tonsprache der Komponisten war deutlich verschieden. Peter Tschaikowskys Dante-Inspiration „Francesca da Rimini“ steckt voller Dramatik und findet nur in einem aparten Mittelteil einen Ruhepunkt. Der junge kanadische Dirigent Yannick Nezét-Séguin nahm die Partitur am Sonntagvormittag als sportives Aufwachwerk: wirbelnde Streicherpassagen, jede Menge Blechklang und eine fulminante Apotheose am Schluss kitzelte er mit außerordentlichem Körpereinsatz hervor, konnte sich dabei aber jederzeit auf Aufmerksamkeit und Mitgehen im Orchester verlassen. Das musikalische Geschenk, das Richard Wagner Mathilde Wesendonck mit den fünf Liedern auf ihre Gedichte widmete, ist indes das genaue klangliche Gegenteil der am Ende blutrünstigen Francesca-Geschichte. Intim und zurückgenommen ist die Sprache Wagners hier; selten einmal schwingt sich in den Liedern der große Bogen empor, und doch hat man eine große Empfindung von Geschlossenheit in jedem Lied. Dafür bedarf es eine besondere Stimme, eine Sopranfarbe, die genau auf diese feine, fast silbrig schimmernde Art der Textvertonung passt. Mit der Amerikanerin Christine Brewer lud man sich zwar eine der großen dramatischen Sopranistinnen der Gegenwart ein, aber sie war eben für dieses Werk nicht die richtige Besetzung. Angesichts ihres stimmlichen Volumens und des entsprechend raumfassenden Vibratos hatte man spätestens im dritten Lied, „Im Treibhaus“ Befürchtungen um die Zartheit der Atmosphäre. Brewer wusste aber die Stimmungen des Zyklus mit ihren Möglichkeiten zu erfassen und tat alles, um leise Farben und eine schlanke Stimmführung zu erzeugen. Dennoch konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass eine Sopranistin mit einem lyrischeren Timbre und einer weitaus unauffälligeren (eben nicht dauernd in der Zurücknahme befindlichen) Stimmführung einfach für diese Lieder besser geeignet ist. Waren bei Wagner schon im Orchester glänzende Farbnuancen enthalten, so konnte Nezét-Séguin nach der Pause in den großen Farbeimer greifen und mit Werken von Debussy und Ravel nicht nur schwelgen, sondern die Kapelle auch zu einer „tänzerischen“ Höchstleistung animieren. Schwierig war dies im Fall der Tanzdichtung „Jeux“ von Claude Debussy, denn die Partitur des kurzen Ballettpoems wartet mit ständigen dynamischen Wechseln auf, die selbst den Höhepunkt quasi malerisch „verwischen“. Das Stück mag wohl für Debussy vor allem im Sinne der Entwicklung von Harmonik und einer äußerst experimentellen Orchestrierung wichtig gewesen sein, entfaltet aber kaum auf der konzertanten Bühne eine nachhaltige Wirkung. Das gelang (und gelingt auch heute noch) Maurice Ravel mit seiner Ballettmusik „Daphnis & Chloé“ mühelos, da er klare rhythmische Fundamente komponierte, die sowohl in der leichtfüßigen Pantomime mit herrlichen Bläsersoli als auch im „Danse générale“ den Hörer mitreißen. Yannick Nezét-Séguin fand im Konzert in allen Werken einen sicheren Zugang zwischen entfesseltem Spiel und kontrollierter Betreuung und konnte sich am Ende über begeisterten Applaus freuen.

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